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26.22.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur (2)

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Die Rezension: Shakespeares «Sturm» am Berliner Ensemble +++ Deutsche Erstaufführung von «Schönes» am Bochumer Schauspielhaus


Die Rezension: Shakespeares «Sturm» am Berliner Ensemble
Berlin (ddp). Durch Knarren und Knirschen im Gebälk kündigt sich das Unheil an. Wind kommt auf, die Gläser klappern auf dem Tablett und die Seeleute wirft es von Backbord nach Steuerbord und wieder zurück. Schließlich gelangt die Theatermaschinerie auf den Höhepunkt: Von lauten Donnergeräuschen begleitet zucken Blitze auf, und ein monströser Schiffsrumpf schiebt sich in den Zuschauerraum, um alsbald zu bersten. Derart fulminant beginnt am Dienstagabend Leander Haußmanns Inszenierung von Shakespeares «Sturm» am Berliner Ensemble - und sie bleibt auch im weiteren Verlauf zumindest für die Sinnesorgane ereignisreich.
Hamster Damm, der für das Bühnenbild verantwortlich zeichnete, hat mit zwei großen Bauten für den anfänglichen Schiffsuntergang und die schlussendliche Heimfahrt der gestrandeten Besatzung den Rahmen der Inszenierung abgesteckt. Der große Mittelteil spielt auf der Insel, auf die es die Schiffbrüchigen verschlägt: ein merkwürdig verzaubertes Eiland, auf dem allerhand Fabelwesen ihr Unwesen treiben. Mit recht bescheidenen Mitteln gelingt es Haußmann und seinem Team, den anderen Aggregatzustand, der die Insel ausmacht, zu umreißen. Da wabert der Nebel, wandern die Pflanzen, sprießt das Gesträuch. Auch was zwischen den Menschen geschieht, gehorcht hier anderen Gesetzen.
Hinter all dem Inselzauber steht Prospero, rechtmäßiger Herzog von Mailand. Der Sturm ist das Werk des Magiebegabten, denn auf dem Schiff befand sich der Bruder, der ihn einst entthronte. Jetzt will Prospero Genugtuung - und er bekommt sie auch. Dass sich Tochter Miranda aber in den Sohn seines Erzfeindes, den Sprössling des Königs von Neapel, verliebt, das war nicht unbedingt geplant. So aber kommt es, dass sich Prospero am Ende ganz gut von der versöhnlichen Seite zeigen kann.
Leander Haußmanns Inszenierung ist gelungen im Detail, der Deutungsansatz insgesamt bleibt eher vage. Geht es ihm um ein kritisches Befragen der Zivilisation, wie das Programmheft suggeriert? Oder um Kolonialismus, wie die Handlung um den Sklaven Caliban (Roman Kaminski) ausgelegt werden könnte? Oder vielleicht um den Gerechtigkeitsfanatiker, der selbst zum Tyrannen wird? Während Haußmann bei diesen Fragen unentschieden bleibt, weiß er durch szenischen Witz zu gefallen und erinnert dabei vielmals an seine Filmerfolge «Sonnenallee» und «Herr Lehmann».
Da saust der Luftgeist Ariel (Steffi Kühnert) kühn durch die Lüfte, da umgarnen sich Ferdinand und Miranda (Dirk Ossig und Annika Kuhl) auf hinreißendste Weise ungeschickt, und Prospero selbst (Ezard Haußmann) vermag mit seinem Zauberstab die Inselrealität in Sekundenschnelle komplett umzugestalten. Das Premierenpublikum am Dienstagabend applaudierte ausgiebig.
Jens Bienioschek

Deutsche Erstaufführung von «Schönes» am Bochumer Schauspielhaus
Bochum (ddp). Als deutsche Erstaufführung präsentiert das Schauspielhaus Bochum das neueste Theaterstück des norwegische Star-Dramatikers Jon Fosse. Am Samstag hat «Schönes» in der Regie von Dieter Giesing in den Kammerspielen Premiere. Für das Bühnenbild ist Karl-Ernst Herrmann verantwortlich.
In dem Stück «Schönes» schildert Fosse die Ferien eines Ehepaares und ihrer Tochter in einer einsamen Küstengegend Norwegens. Fosse wolle mit dem Stück die seelische Leere in der skandinavischen Wohlstandsgesellschaft beschreiben, sagte eine Sprecherin des Schauspielhauses am Mittwoch.
Der 1959 in der Küstenstadt Haugesund geborene Autor ist einer der meistgespielten Dramatiker seiner Generation. 1992 veröffentlichte er sein erstes Stück und wurde «nach diesem Genre süchtig». Seitdem schrieb er erfolgreiche Werke wie «Der Name», «Die Nacht singt ihre Lieder» und «Winter».
Fosse ist zudem ein anerkannter Romancier und Übersetzter. Wie in seinem neuen Stück «Schönes», bei dem nun in Bochum Veronika Bayer und Ernst Stötzer die Hauptrollen spielen, setzt sich Fosse immer wieder mit dem Scheitern von Liebe und Hoffnung auseinander. Der norwegische Staat ehrte den Dichter mit einem Stipendium auf Lebenszeit.
http://www.schauspielhausBochum.de