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"Schreiben in gewalttätiger Welt" - P.E.N.-Zentrum tagt in Schwerin +++ Zeitgenössisches fürs große Publikum - Stromberg will bleiben +++ Verzeichnis der von den Nazis verbrannten Büchern erschienen +++ Der Tag der Bücherverbrennung jährt sich zum 70. Mal
"Schreiben in gewalttätiger Welt" - P.E.N.-Zentrum tagt in SchwerinSchwerin (ddp). Rund 120 Autoren aus ganz Deutschland erwartet das P.E.N.-Zentrum Deutschland zu seiner Jahresversammlung vom 15. bis 18. Mai in Schwerin. Die Beratungen stehen unter dem Motto «Schreiben in gewalttätiger Welt». Hauptthemen seien die Verfolgung von Schriftstellern in vielen Ländern sowie die neue Weltordnung nach dem Irak-Krieg, sagte Generalsekretär Wilfried F. Schoeller am Montag. Aber auch die fortschreitende Monopolisierung der Presse und die Umgestaltung der Rundfunk- und Fernsehangebote stünden auf dem Programm.
Der P.E.N.-Club (Poets, Essayists und Novellists) ist eine weltweite Vereinigung von Schriftstellern, die in den 20er Jahren in England gegründet wurde. Inzwischen zählt sie über 130 nationale Zentren.
Zeitgenössisches fürs große Publikum - Stromberg will bleiben
Hamburg (ddp-nrd). Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg will in der kommenden Spielzeit neben Klassikern auch zeitgenössisches Theater auf die große Bühne des Hauses bringen. So werde Autor und Regisseur Rene Pollesch mit der Uraufführung von «Splatterboulevard II» erstmals vor großem Publikum zu sehen sein, sagte Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg am Dienstag in der Hansestadt.
Auch Ingrid Lausund werde mit der Uraufführung eines neuen Stücks erstmals auf die große Bühne wechseln. Der umstrittene Intendant kündigte an, seine 2000 begonnene Amtszeit verlängern zu wollen. «Ich habe große Lust, der Stadt meine Weiterarbeit über die bis 2005 laufende Vertragsdauer hinaus bis 2008 anzubieten», sagte Stromberg.
Junge Regisseure, die das Schauspielhaus bereits seit längerem begleiten, werden auch in der Spielzeit 2003/2004 wieder in Hamburg arbeiten. Die Spielzeiteröffnung im September wird der 34-jährige Jan Bosse mit «Drei Schwestern» von Anton Tschechow gestalten. Auch Sebastian Schlösser, Laurent Chetouane und Sebastian Hartmann werden wieder mit Produktionen vertreten sein. Der junge Stefan Pucher wird William Shakespeares «Othello» inszenieren und werde damit «den Mythos Peter Zadek am Schauspielhaus negieren», sagte Stromberg. Jan Bosse wird nach dem erfolgreichen «Menschenfeind» in dieser Spielzeit wieder ein Stück von Moliere, dieses Mal den «Tartuffe», auf die Bühne bringen.
Der vor allem von Kultursenatorin Dana Horakova (parteilos) sowie von Kulturpolitikern aus CDU und Schill-Partei für einige Inszenierungen heftig gescholtene Intendant betonte, junge Regisseure machten das Schauspielhaus zu einem wichtigen Forum für Hamburg. «Gerade in Zeiten inflationärer Verbreitung des Mainstream betrachten wir eine Position, wie unsere Arbeit sie darstellt, als unverzichtbar für diese Stadt», sagte er. Auch bei persönlichen Differenzen wie mit der Senatorin dürfe das Haus nicht beschädigt werden. Stromberg hatte im Jahr 2000 die Nachfolge von Intendant Frank Baumbauer angetreten.
Zum Ende der laufenden Spielzeit rechnet die Bühne mit rund 160 000 Zuschauern. «Damit haben wir unser Ziel, 180 000 Menschen zu uns zu holen, nicht erreicht», sagte der kaufmännische Direktor Jack Kurfess. Das bedeute einen Einnahmeverlust von 240 000 Euro, der nun im laufenden Budget eingespart werden müsse. Die Auslastung des Hauses lag in dieser Spielzeit bislang bei etwas mehr als 50 Prozent.
Verzeichnis der von den Nazis verbrannten Büchern erschienen
Frankfurt/Main (ddp). Zur Lektüre der von den Nazis verfemten Literatur soll ein Verzeichnis anregen, das am Dienstag in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. Anlass der Publikation unter dem Titel «Lest, was die Nazis verbrannten» sind die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen vor 70 Jahren, teilten die Initiatoren mit.
Verzeichnet sind sowohl die Werke von 104 «verbrannten Dichtern», die im Buchhandel erhältlich sind, als auch 79 damals verfemte Autoren, deren Bücher heute allenfalls in Antiquariaten zu finden sind. Die Bücherverbrennungen hatten am 10. Mai 1933 begonnen. 1935 standen über 5000 Bücher auf der «Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums», die die Reichsschrifttumskammer herausgegeben hatte, geht aus der Broschüre hervor.
In Frankfurt am Main erinnert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit einer Ausstellung und zahlreichen Lesungen an die Bücherverbrennungen vor 70 Jahren und ihre Folgen. «Es ist ein trauriges Jubiläum», sagte der Vorsitzende des DGB Frankfurt, Harald Fiedler, am Dienstag. Für Samstag hat der DGB zu einem Mahngang zum Frankfurter Römerberg aufgerufen. Dort hatten - wie in zahlreichen anderen deutschen Städten - vor sieben Jahrzehnten Bücherscheiterhaufen gebrannt. Die Stiftung Lesen veranstaltet eine «Woche der verbrannten Bücher». Vom 10. bis 17. Mai wollen Schriftsteller aus Werken der von den Nazis geächteten Schriftsteller lesen.
Der Tag der Bücherverbrennung jährt sich zum 70. Mal
Berlin (ddp). Die Bilder schockieren: Am 10. Mai 1933 und den folgenden Tagen stürmen fanatisierte Studenten, Professoren und SA-Männer in mehr als 40 deutschen Städten öffentliche Bibliotheken. Sie schleppen Bücher auf die Straße, werfen sie auf Scheiterhaufen. Begleitet von «Feuersprüchen» werden mehr als 20 000 Bücher ein Opfer der Flammen. Ihre Verfasser: jüdische Autoren und Schriftsteller, die den Nationalsozialisten als marxistisch oder pazifistisch gelten. Das Reichspropagandaministerium hatte zuvor eine Namensliste an die Studentenschaften verteilt.
Unter den etwa 150 Schriftstellern, deren Werke als «undeutsches Gedankengut» verunglimpft wurden, waren Bertolt Brecht und Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger und Karl Marx, Albert Einstein und Ricarda Huch, Anna Seghers und Stefan Zweig, Erich Maria Remarque, Egon Erwin Kisch und Jack London, Franz Werfel und Arnold Zweig. Mit dem Ruf «Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht und Sitte in Familie und Staat» wurden die Schriften von Heinrich Mann und Erich Kästner in die Flammen geworfen. Der so genannte Feuerspruch zu Sigmund Freud lautete «Gegen seelenzerfressende Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele». Bei Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky wurde «Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist» gebrüllt.
Kästner war einer der wenigen Autoren, der selbst Zeuge der Bücherverbrennung auf dem damaligen Opernplatz in Berlin wurde. Hier, wo Propagandaminister Joseph Goebbels die Menge aufpeitschte, hatten die Aktionen ihren Ausgangspunkt.
Rund um diesen Ort, den heutigen Bebelplatz, soll zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennungen am 10. Mai unter dem Motto «Literatur und mehr» mit fast 50 Veranstaltungen ein «Zeichen für Frieden, multikulturellen Dialog und Toleranz» gesetzt werden. Lesungen, Ausstellungen, Diskussionen und Vorträge kündigten die Veranstalter am Dienstag in Berlin an.
Nicht nur Verlage und Unternehmen, Restaurants und Cafes unterstützen die Programme am Boulevard Unter den Linden, sondern auch viele Prominente. So zählen die Schauspieler Iris Berben und Michael Degen, Autoren wie Christoph Hein, Horst Bosetzky und Jan Eik zu den Mitwirkenden, es gibt «Buchexperimente» und den Versuch, mit 14 000 Kindern die «Längste Klix Klex Geschichte der Welt» zu verfassen, die dann am 6. Juni auf einer Strecke von sechs Kilometern Länge in Berlin präsentiert werden soll. Als Zeitzeugin wird unter anderen die 92-jährige Schriftstellerin Elfriede Brüning auf die Ereignisse von 1933 zurückblicken.
Mit einer Ausstellung und zahlreichen Lesungen gedenkt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Frankfurt am Main des 70. Jahrestages der Bücherverbrennungen. Die Stiftung Lesen ruft zu einer «Woche der verbrannten Bücher» auf: Vom 10. bis 17. Mai werden Schriftsteller aus Werken der von den Nazis geächteten Autoren lesen. Darüber hinaus ist ein Verzeichnis von Büchern «verbrannter Dichter» erschienen. Es listet sowohl Titel auf, die im Buchhandel erhältlich sind, als auch Namen von 79 der «verbrannten Dichter», deren Werke nur noch in Antiquariaten zu finden sind. Lesungen, Filmvorführungen, Konzerte und Ausstellungen gibt es unter anderem auch in München, Dortmund, Rostock und Erlangen.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, das PEN-Zentrum Deutschland und der Verband deutscher Schriftsteller erinnern bereits am 9. Mai in der Berliner Akademie der Künste unter dem Motto «Literatur auf dem Scheiterhaufen, der Geist im Feuer» an die Bücherverbrennungen und ihre schrecklichen Folgen. Bundespräsident Johannes Rau spricht, Autoren wie Peter Härtling, Erich Loest, Rolf Hochhuth und Christa Wolf lesen aus «verbrannten Büchern».
Cornelia Krüger