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9.2.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Frankfurt/M.: Erster Siegfried Unseld Preis geht an Peter Handke +++ München: Hermann-Lenz-Preis für Walter Kappacher +++ Brandenburg: Hochhuths «McKinsey kommt» vor Uraufführung


Frankfurt/M.: Erster Siegfried Unseld Preis geht an Peter Handke
Frankfurt/Main (ddp). Der erstmals verliehene Siegfried Unseld Preis geht an den Schriftsteller Peter Handke. Mit Handke werde «ein literarischer Nomade» geehrt, teilte die Siegfried Unseld Stiftung in Frankfurt am Main am Montag mit. «Die Radikalität seines Schreibens gründet in der poetischen Wahrnehmung dieser Welt und dem Beharren auf ihrer Erzählbarkeit», heißt es in der Begründung. Der Preis ist mit 50 000 Euro dotiert und wird am 28. September, dem 80. Geburtstag Siegfried Unselds, in Frankfurt am Main überreicht.
Handke (61) war unter anderem mit seinem Theaterstück «Publikumsbeschimpfung» und den Romanen «Der Hausierer», «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter» und «Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt» bekannt geworden.
Unseld (1924-2002) und seine Frau Ulla Unseld-Berkéwicz hatten 2002 die Unseld Stiftung ins Leben gerufen. Dem Stiftungsbeirat gehören Ulrich Beck, Rainald Goetz, Durs Grünbein, Norbert Gstrein, Christoph Hein, Angela Krauß, Thomas Meinecke und Ralf Rothmann an. Vorstand sind Ulla Unseld-Berkéwicz als Vorsitzende und Raimund Fellinger.
Die Stiftung will «Wissenschaft und Kunst in allen Bereichen literarischen Schaffens» fördern. Der Siegfried Unseld Preis wird künftig alle zwei Jahre verliehen.

München: Hermann-Lenz-Preis für Walter Kappacher
München (ddp). Der von Verleger Hubert Burda gestiftete Hermann-Lenz-Preis für deutschsprachige Literatur geht in diesem Jahr an den österreichischen Schriftsteller Walter Kappacher. Die mit 15 000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 12. Juni im österreichischen Freistadt überreicht, teilte die Hubert Burda Media am Montag in München mit.
Die Bücher Kappachers seien bevölkert von kleinen Angestellten, stillen Zweiflern, Helden der Einsamkeit, «die aufbrechen, um aus dem Trott der Alltags- und Berufswelt auszubrechen und für ein erfülltes Leben zu kämpfen». Für «solcherart unbändige Eigensinnigkeit und seine präzise Erzählweise» erhalte der Autor den Preis.
Kappacher wurde 1938 in Salzburg geboren. Zu seinen wichtigsten Werken gehören «Morgen» (1975), «Die Werkstatt» (1975), «Rosina» (1978), «Die irdische Liebe» (1979), «Der lange Brief» (1982) und «Wer zuerst lacht» (1997). Zuletzt erschien im Jahr 2000 sein Roman «Silberpfeile».
Eine Förderung im Rahmen des Hermann-Lenz-Preises in Höhe von je 5000 Euro erhalten die jungen osteuropäischen Lyrikerinnen Lubina Hajduk-Veljkovicowa und Maja Haderlap sowie der Lyriker Leo Tuor.
Die Hermann-Lenz-Preis-Verleihung, ein jährliches Treffen von Literaten, ging 1999 aus dem Petrarca-Preis hervor. Der 1998 verstorbene Schriftsteller Hermann Lenz war selbst Träger des Petrarca Preises. Der Lenz-Preis ging bisher an Joseph W. Janker, Johannes Kühn, Ralf Rothmann, Erich Skwara und Josef Zoderer.
http://www.hermann-lenz-preis.de

Brandenburg: Hochhuths «McKinsey kommt» vor Uraufführung
Brandenburg/Havel (ddp-lbg). Der Dramatiker Rolf Hochhuth (72) malt ein düsteres Szenario. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland werde es eine Revolution geben müssen, sagte Hochhuth am Sonntag eine knappe Woche vor der Uraufführung seines neuen Stücks «McKinsey kommt» am Theater in Brandenburg/Havel. «Man muss fürchten, es wird eine blutige Revolution», fügte er hinzu. Das Ergebnis einer friedlichen wäre ein Gesetz, das beispielsweise Amtsrichtern, Taxichauffeuren, Lkw-Fahrern und Schornsteigfegern verbiete, mehr als vier Stunden zu arbeiten. Denn: «Es wird niemals mehr genug Arbeit für alle geben.»
Etwa 200 Menschen waren der Einladung von Intendant Christoph Kneisel zum traditionellen Theaterfrühstück im Foyer gefolgt, so viele wie noch nie. «Wir haben mit solch einem großen Interesse für das Stück nicht gerechnet», sagte Kneisel. Dabei ist Hochhuth mit «McKinsey kommt» an einen sozialen Brennpunkt gegangen: Jeder fünfte ist arbeitslos in der Havelstadt, das Stahlwerk mit einmal 20 000 Beschäftigten ist heute ein Museum. Junge Menschen verlassen Stadt und Region. McKinsey ist Wirklichkeit und aktuell mit Beratern in Brandenburg/Havel. «McKinsey ist für viele die folgenreichste Firma und exemplarisch für die Gesellschaft», betonte Hochhuth.
Das Stück beschäftigt sich in fünf Akten mit der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland und fragt nach der moralischen und gesellschaftlichen Verantwortung politisch Handelnder. Keine der hochsubventionierten deutschsprachigen Bühnen kümmere sich heute noch um Politik, kritisierte der Dramatiker: «Politisches Theater ist nicht mehr in.» Doch Theater müsse zuspitzen, forderte Hochhuth, der sich durch Stücke wie «Der Stellvertreter» (1963), «Juristen» (1979) und «Wessis in Weimar» (1993) immer in aktuell-politische Diskussionen eingemischt hat. Man müsse es nicht kommentieren, dass keine der so genannten großen Bühnen «McKinsey kommt» aufführen wollte, sagte Hochhuth.
Regisseur Oliver Munk, der bereits in Brandenburg/Havel inszeniert hat, will sich mit wenigen Ausnahmen strikt an die Textvorlage von Hochhuth halten. Durch Verdichtungen würden bekannte Argumente zum Thema in einen neuen Zusammenhang gestellt und damit eine neue Bedeutungsebene erreicht, kündigte er an. Das Bühnenbild von Stephan Besson verstärke diese Interpretation, so werde sich der Boden immer mehr neigen und damit die zunehmende Unsicherheit im Leben des einzelnen aufnehmen. «Wir wollen mit der Inszenierung auch polarisieren und damit eine Diskussion in der Gesellschaft anstoßen», betonte Munk.
Die rechtlichen Drohungen der Deutschen Bank gegen Hochhuth im Vorfeld der Aufführung spielten in der Publikumsdiskussion nur noch am Rande eine Rolle. «Die Bank hat ihre Juristen zurückgepfiffen», sagte der Dramatiker. Ein Gedicht, von Hochhuth Sonett genannt, am Ende des ersten Aktes war der Stein des Anstoßes. Die Bank sah darin einen Angriff gegen ihren Chef Josef Ackermann, der derzeit wegen des Vorwurfs der Untreue vor dem Düsseldorfer Landgericht steht. Hochhut verwies erneut auf den Schweizer Historiker und Philosophen Jacob Burckhardt, auf dessen Text «Der Mord als Hilfsmittel» das Sonett zurückgehe.
Uraufführung von «McKinsey kommt» ist am Freitag im Kleinen Haus. Die ersten Vorstellungen sind bereits ausverkauft; auch McKinsey hat eine Vorstellung komplett für seine Mitarbeiter gebucht. Hochhuth nennt das «ein hohes Maß an Liberalität», und es zeige auch, dass sie ihr eigenes Tun für mindestens problematisch halten.
Andrea Marczinski