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Der Countdown läuft - Das 35. Moers-Festival findet Pfingsten statt

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Köln (ddp-nrw). Ihn kann nichts aus der Ruhe bringen. Obwohl ein Interview-Termin den anderen jagt und er sich um den letzten Feinschliff an seinem neuesten Projekt kümmern muss. Doch Reiner Michalke, der ab diesem Jahr die Geschicke des renommierten Jazz-Festivals in Moers leitet, liebt die Herausforderung genauso wie den Stress.

Denn der 54-Jährige ist ein - im positiven Sinne - Jazz-Besessener, wie er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp zugibt: «In meinem Leben habe ich eigentlich nicht viel anderes gemacht, als mich um den Jazz zu kümmern.» Bereits 22 Jahren gründete der gebürtige Kölner 1978 die Initiative «Kölner Jazz Haus e.V.» und ist seit 1991 Mitglied der künstlerischen Leitung der Kölner «MusikTriennale». Und unter seiner Regie entwickelte sich der «Stadtgarten» seit 1986 zu einem der bundesweit wichtigsten Konzertsäle für zeitgenössischen Jazz. Nachdem er aber im vergangenen Jahr das Angebot angenommen hatte, mit dem «Moers-Festival» eines der international traditionsreichsten Jazz-Meetings zu gestalten, ist er seitdem unzählige Male zwischen Köln und dem niederrheinischen Städtchen gependelt.
Nun findet also von Freitag bis Montag die 35. Festival-Ausgabe erstmals unter Michalkes Regie statt. Und obwohl Einladungen auch an altgediente Jazz-Stars wie den Saxophonisten Dewey Redman und den Gitarristen John Scofield gingen, setzt Michalke mit den 21 Programmpunkten auf eine musikalische Vielfalt des Jazz, zu der Pop und Rock genauso gehören wie Einflüsse aus der Worldmusic. Wichtigstes Ziel für ihn ist dabei, dass «Moers wieder ein kontroverses Festival wird, das national und international wahrgenommen wird. So wie in den 70er Jahren.» Als Michalkes Vorgänger Burkhard Hennen 1972 das Festival gründete, wurde es damals nicht nur schnell zum Treffpunkt für Fans des Avantgarde-Jazz. Langsam entwickelte sich das Pfingst-Treffen zu einem internationalen Publikumsmagneten, bei dem mehr als 20 000 Besucher in das Zirkuszelt zu den Konzerten strömten - während im anliegenden Schloßpark eine bunte Zeltstadt mit zahllosen Campern entstand, die sich aber nicht unbedingt für die musikalischen Darbietungen interessierten. Auch das will Michalke wieder ändern. «Die erste Maßnahme ist in diesem Jahr, dass alles das, was im Zelt passiert, per UKW im Radio innerhalb des Stadtgebietes von Moers übertragen wird. So kann man vielleicht wieder die Neugier und den Zugang zur Musik wecken. Schließlich will ich kein lustiges Wald- und Wiesen-Festival machen.»
Am Format des Festivals hat zwar Michalke nicht viel geändert, vom Nachmittag bis in den späten Abend hinein treten im Zirkuszelt bekannte und noch zu entdeckende Musiker auf. In den Inhalten aber setzt er sich von Hennen ab, der nach jahrelangen Querelen mit der Stadt Moers 2005 seinen Rücktritt eingereicht hatte. Die «African Dance Night» gibt es nun ebenso wenig mehr, wie folkloristische Konzerte. Michaalke: «Damit hatte sich Moers der Aktualität beraubt. Dabei zählt für Moers doch eigentlich die Jetztzeit, die aktuelle Musik.» Weshalb er Wert darauf legt, dass nahezu jeder Konzertprogrammpunkt exklusiv für Moers konzipiert wurde: «Wir haben nichts von der Stange gekauft.» Für den studierten Musiker und Familienvater war es eine Überraschung, als man ihn Anfang 2005 fragte, ob er nicht Henkens Erbe antreten wolle. «Ich bekam einen Anruf auf der Zugfahrt nach Amsterdam zum Dutch-Jazz-Meeting." Im ersten Moment zögerte Michalke, da die Geschichte von Moers eben eng mit Hennen verbunden ist. Aber nachdem er in Gesprächen mit Moerser Lokalpolitikern feststellen konnte, dass das Festival auf breite Zustimmung trifft, übernahm er schließlich die Künstlerische Leitung.
Fünf Jahre läuft Michalkes Vertrag, ist Moers für ihn eine optimale Ergänzung zu seinem Job im Stadtgarten. Darüber hinaus bleibt für den 54-Jährigen noch genügend Zeit und Energie, sich für den Jazz-Standort NRW einzusetzen. «Musiker brauchen Spielstätten, Inspirationen aus Film und Bildende Kunst - das bietet Berlin. Früher war das Köln, als Berlin noch Bonn war.» Als Vorbild sieht er Amsterdam, wo selbst Jazz-Musiker sich für die nötigen Strukturen mit den entsprechenden Subventionen eingesetzt haben.
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