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In Ostfriesland, wo der «Vater» der weltberühmten Micky Maus seine Wurzeln hat, hat Joe Rahn eine Cartoon-Schule installiert, wo derzeit 30 Schüler ihre Figuren zu Papier bringen.
Aurich (ddp-nrd). Cartoon- und Comic-Zeichner gibt es in Deutschland wie Sand am Meer. Eine Cartoon-Schule dagegen nur einmal. Sie steht kurz vor dem Meer in der ostfriesischen Kreisstadt Aurich. Der Schulinhaber heißt Joe Rahn und ist ein Autodidakt, wie er im Buche steht. Seine Fertigkeiten mit Bleistift und Radiergummi hat er sich in einem jahrelangen Heimstudium selbst beigebracht. Und dieses Wissen gibt er nun an seine Schüler weiter.Rund 30 Comic-begeisterte Menschen, zumeist jüngeren Alters, tummeln sich in dem Lehrinstitut und bringen witzige Figuren zu Papier. Joe und seine Schüler wandeln damit auf historischen Spuren. In Ostfriesland, wo der «Vater» der weltberühmten Micky Maus seine Wurzeln hat, wollen sie einer neuen Comic-Serie zu Weltruhm verhelfen: Der Wattwurm-Familie «Watttales».
Erfolge kann Joe Rahn mit seinen bisherigen Zeichentrick-Projekten durchaus verbuchen. So stammt der Titelheld des «Christival», eines internationalen Kongresses junger Christen, aus seiner Feder. Anfang Oktober ist Kassel Schauplatz des nächsten «Christivals». Joe Rahns Figur «Chrissie» und Hessens Ministerpräsident Roland Koch als Schirmherr sind die größten Werbeträger dieser Veranstaltung.
Der 38-Jährige macht aus seiner christlichen Einstellung keinen Hehl. Dementsprechend ranken sich auch viele seiner weiteren Figuren um das Thema Glaube. Die Symbolfigur des Internet-Seelsorgedienstes für Jugendliche, JoeMax.de, gehört ebenso dazu wie die von ihm ins Leben gerufene Jugendinitiative «Generation 4Respect». Deren Ziel ist es, in den Schulen wieder christliche Werte wie Respekt, Toleranz und Nächstenliebe zu fördern.
Mittels seiner Comic-Animationen gelingt es dem in Kaarst am Niederrhein geborenen Zeichner immer wieder, auch Vertreter der viel zitierten Null-Bock-Generation und selbst straffällig gewordene Jugendliche für die sozialen Projekte zu begeistern. Wer der plötzlichen Begeisterung auch Taten folgen lassen will, geht gleich weiter in Joe\'s Cartoon- und Comic-Schule in der Auricher Fußgängerzone.
«Zur mir kommen Leute im Alter zwischen 9 und 99 Jahren», sagt der gelernte Informationselektroniker und Zeichenlehrer. Seit Anfang vergangenen Jahres steckt er seine ganze Schaffenskraft in das Projekt. 25 Kinder und Jugendliche sowie 5 Erwachsene nehmen regelmäßig für vier Doppelstunden im Monat Papier und Bleistift in die Hand. Joe zeigt, wie das geht: «Der Ursprung aller berühmten Figuren sind geometrische Formen», sagt er und zaubert mit einem überdimensionalen Stift große Kreise und Dreiecke an die Wand, die flugs zu einem lustigen Gesicht verschmelzen.
«Leute, die zu mir kommen, müssen nicht zeichnen können», nimmt Rahn seinen Schülern die Scheu. Alles, was gebraucht werde, seien Lust, Spaß, Ausdauer und ein Bleistift mit Radiergummi. Weit gebracht hat es auf diese Weise bereits die 19-jährige Sonja. Sie hat einen
38-seitigen Comic-Strip auf die Beine gestellt. Titelheld «Kern-Körperchen» heißt so, weil er in einer langweiligen Chemiestunde das Licht der Welt erblickte.
Besonders beliebt bei seinen Lehrlingen sind die «Comic-Jams», eine Art zeichnerisches Brain-Storming. Joe und seine Jünger versammeln sich rund um einen großen Tisch und malen auf einem nicht minder großen Stück Papier, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Auf
diese Weise wurde auch die Idee der «Watttales» geboren, als jemand die Pfeiler des Brandenburger Tores durch die kleinen Schlicktiere ersetzte. Die beiden wurmartigen Protagonisten tragen in Anlehnung an zwei einstige ostfriesische Stammes-Häuptlinge die Namen Tom Brook und Enno Cirksena.
Auch dieses Projekt hat natürlich einen sozialen Hintergrund: Joe will mit den «Wattwürmern» junge Ostfriesen und Touristen an die alte Geschichte heranführen. Als Vision des Ganzen schwebt ihm die comichafte Vereinnahmung Ostfrieslands unter dem Titel «O-Land» vor. Darunter versteht der Zeichner allerdings weniger ein plattdeutsches, überdachtes Disneyland als vielmehr ein offenes Freizeitangebot mit kultureller Vielfalt. So schließt sich der Kreis zu Disneys weltberühmter Micky Maus mit den ostfriesischen Wurzeln wieder.
Normann Berg