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Elbphilharmonie erklingt zum Auftakt des Hamburger Theater Festivals [update, 28. September]

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Hamburg - Zum Auftakt des Hamburger Theater Festivals am Samstag (29. September) hat Intendant Nikolaus Besch eine besondere Premiere geplant: die erste Musikveranstaltung in der Elbphilharmonie. Die Baustelle des umstrittenen Konzerthauses soll zum Schauplatz für das "human requiem" werden, das der Berliner Rundfunkchor unter Leitung von Simon Halsey erstmals in Hamburg aufführt.

 

"Das Festivalprogramm bietet dem Publikum eine Auslese von Inszenierungen, die die Stadt zuvor nicht gesehen hat", versprach Besch im dapd-Gespräch. Macht ist das Thema, das sich wie ein roter Faden durch viele Inszenierungen ziehe, sagte der Intendant im Rückblick auf seine Auswahl. Ein Motto stehe aber ganz bewusst nicht über dem Programm. "Das Hamburger Theater Festival soll eine Werkschau sein", sagte Besch. "Es vereint sehr unterschiedliche Stücke, die alle eine individuelle Handschrift tragen." Das Festival zeigt bis zum 6. November neun Stücke im St. Pauli Theater, dem Thalia Theater, dem Deutschen Schauspielhaus und auf Kampnagel.

Theatralischer Krimi

Bei dem Stück "Kinder der Sonne", einer Kooperation des Deutschen Theaters Berlin und Kampnagel, mache sich etwa der Ideenaustausch zwischen Schauspielern und Regisseur bemerkbar. Einen "theatralischen Krimi" verspricht Besch zur Aufführung von "Das Interview" mit Birgit Minichmayr und Sebastian Blomberg, einem Gastspiel des Residenztheaters München.

Das "human requiem", mit dem das Theater Festival eröffnet wird, biete dem Publikum durch die choreografische Inszenierung ein starkes Gefühl von Nähe zur Musik, sagt Besch. Die Choristen würden sich mit dem Publikum durch den Raum bewegen. "Es ist eine höchst glückliche Fügung, dass wir da im Moment eine Baustelle haben, auf der in den letzten Monaten kaum gebaut wurde - sonst hätten wir die Aufführung da ja gar nicht machen können", sagt der Intendant.

Das "human requiem" ist vor dem offiziellen Festivalstart am Samstag und Sonntag bereits am Freitag in einer öffentlichen Generalprobe zu sehen. Einlass ist jeweils von 17.30 Uhr bis 18.45 Uhr.
 

(nmz-bl) - Beim "human requiem" handelt es sich um eine Produktion des Rundfunkchors Berlin in Kooperation mit Sasha Waltz & Guests und Radialsystem V für Soli, gemischten Chor und Klavier zu vier Händen. Es basiert auf Johannes Brahms' "Ein deutsches Requiem".

 

[update, 28. September]

Erster Musikabend in der Elbphilharmonie
Rundfunkchor Berlin eröffnet mit "human requiem" das Hamburger Theater Festival - Publikum wird zum Teil der Inszenierung

Annabel Trautwein - dapd
Hamburg - Bibelverse schmücken die Betonsäulen in der künftigen Plaza der Elbphilharmonie. "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten". Es sind die Verse, die Johannes Brahms als Text für sein "Deutsches Requiem" ausgewählt hat - Worte der Hoffnung und Lebensfreude. An diesem Wochenende soll auch die viel beklagte Baustelle ein Ort der Freude werden: Der Rundfunkchor Berlin eröffnet unter Leitung von Simon Halsey das Hamburger Theater Festival mit dem "human requiem".

Mit dem Lastenaufzug geht es hoch auf die Baustelle. Dort, wo die Plaza des Konzerthauses entsteht, empfängt die Besucher ein Skelett aus Beton und Stahlträgern, rohe Holzbretter anstelle von Treppengeländern. In den Holzgeruch mischt sich der Duft von Harz: Rindenmulch bildet einen Pfad, weich und lebendig wie Waldboden. Auf der Lichtung in der Mitte des Rohbaus sprießt frisches Gras. "Denn alles Fleisch ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen", steht auf der ersten Säule. "Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen."

Memento mori als Gegenmittel zu menschlichem Hochmut
Die Texte wirken wie ein Memento mori, sagt Brad Hwang, der das Raumkonzept für das "human requiem" auf der Baustelle erdacht hat. Der Künstler deutet auf eine weiße Platte, ein Muster für die Deckenverkleidung. "Es ist ein Rohbau, aber die verschiedenen Phasen sind sichtbar", sagt er. Er wolle die Idee ausweiten, den Zerfall in das Werden mit einbeziehen, so wie der Text des Requiems beides miteinander vereint. Der Rollrasen lebt und wird verrotten. Alles ist vergänglich. "Gerade für diese Baustelle fand ich den Gedanken wichtig - als Gegenmittel zur menschlichen Hybris. Es ist ein Rohbau, aber die verschiedenen Phasen sind sichtbar", sagt er. Er wolle die Idee ausweiten, den Zerfall in das Werden mit einbeziehen, so wie der Text des Requiems beides miteinander vereint. Der Rollrasen lebt und wird verrotten. Alles ist vergänglich. "Gerade für diese Baustelle fand ich den Gedanken wichtig - als Gegenmittel zur menschlichen Hybris", sagt Hwang.

Die Pianisten Philip Mayers und Phillip Moll spielen den sechsten Satz an, der Chor verteilt sich über den Rasen. Auf einmal erhebt sich eine Stimme von der hintersten Wand: "Siehe, ich sage euch ein Geheimnis". Der Bariton des Solisten Edwin Crossley-Mercer füllt den Raum, die Stimmen des Chors steigen vor dem Baugerüst zu ihm auf. "Stop a minute!", ruft Simon Halsey in den Gesang. Der Dirigent hat ein Problem. "Haben wir contact?", ruft er seinem Co-Dirigenten zu. "Sie singen alle zwei Schläge zu spät!" Regisseur Jochen Sandig stellt die Positionen um und die Sichtachse zwischen den Dirigenten wieder her. Vieles hier ist anders als im Berliner Radialsystem V, wo das Stück bisher aufgeführt wurde.

Carpe diem zum Festivalauftakt
"Wir beginnen mit der letzten Posaune", verkündet Halsey. Die Choristen bewegen sich über den Rasen wie ein großes, durchlässiges Lebewesen. Bei der öffentlichen Generalprobe am Freitag und bei den Vorstellungen am Wochenende werden sie sich mitten im Publikum bewegen, und das Publikum mit ihnen - so sieht es die Dramaturgie und Choreografie von Ilka Seifert und Sasha Waltz vor. Die Sänger ringen um die Marschrichtung. Dann der Triumph, eine herausfordernde Geste: "Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?"

Keine Totenklage soll in der Elbphilharmonie erklingen, sagt der Regisseur, "sondern eine Botschaft für die Lebenden, ein Carpe diem". Das habe Brahms mit seinem Requiem gemeint: den Tod als Teil des Lebens anzuerkennen und die Angst zu überwinden. "Wenn der Bariton singt: 'Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat', dann singt er das für uns alle." Der Ort der Inszenierung und seine Geschichte hätten an der Botschaft nichts verändert, sagt Sandig. "Ich hoffe, dass wir ihm etwas Positives geben können."

Das "human requiem" ist vor der offiziellen Festivaleröffnung am Samstag und Sonntag schon am Freitag bei einer öffentlichen Generalprobe zu sehen und zu hören. Einlass ist an allen drei Tagen zwischen 17.30 Uhr und 18.45 Uhr, jeweils um 19.00 Uhr beginnt das Stück in der Plaza der Elbphilharmonie.
 

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