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Das Theater Heidelberg feiert in diesen Tagen sein 150-jähriges Bestehen. Am 31. Oktober 1853 wurde die von Bürgern gegründete Spielstätte mit der Vorstellung «Die Braut von Messina» feierlich eröffnet. Später übernahm die Stadt das Theater in öffentliche Regie. Baulich steht das Haus nach Umbauten im 20. Jahrhundert heute gut da. Der künstlerische Betrieb indessen ist mit ungewissen Aussichten konfrontiert.
Heidelberg (ddp-bwb). Unbeschwert und sorgenfrei kann hier und heute wohl kein Theater feiern. Auch der 150. Geburtstag des städtischen Musentempels in Heidelberg ist überschattet von Ungewissheit und Zukunftsängsten. Äußeres Zeichen: Die ursprünglich geplante Festschrift zum Jubiläum wurde aus Kostengründen gestrichen. Aber auch hinter den Kulissen dürfte wenig Feierlaune herrschen, will doch Intendant Günther Beelitz, ein renommierter und erfahrener Theatermann, seinen Vertrag nicht über 2005 hinaus verlängern. Für diesen Zeitpunkt sucht Heidelberg auch einen neuen Generalmusikdirektor - im zweiten Anlauf nach einer unerfreulichen ersten Runde. Als wären diese Unsicherheiten noch nicht genug, steht auch eine Umwandlung des Tanztheaters in eine regionale Compagnie bevor, die sich Heidelberg mit Freiburg und Heilbronn teilen soll.Heidelbergs Bühne wurde nicht als Residenztheater gegründet, sondern geht auf eine bürgerliche Initiative zurück. Am 31. Oktober 1853 feierte man unter der Leitung von August Haake mit «Die Braut von Messina» die Eröffnung. Bald darauf wurde die Spielstätte in städtische Regie übernommen. Der in nur sechs Monaten errichtete Bau von 1853 wurde 1923/24 und 1978 umgebaut und erneuert. 1990 konnten die Theaterleute schließlich einen Erweiterungsbau beziehen, der das Publikum von der bis dahin herrschenden räumlichen Enge in den Foyers befreite und vor allem Chor und Orchester angemessene Probenmöglichkeiten verschaffte. 619 Plätze hat der Zuschauerraum, auf der Bühne werden Schauspiel, Musik- und Tanztheater geboten. Kinder- und Jugendstücke spielt man hingegen im «zwinger 3», einer 1984 erbauten zweiten Spielstätte.
Der Vorgänger des heutigen Heidelberger Theaterchefs Günther Beelitz hatte - ebenso wie dieser es vorhat - seinen fünf Jahre laufenden Vertrag erfüllt und war dann «ohne Zorn und Verbitterung, aber auch nicht unwillig» abgegangen. Heute scheint es, als könne man diese Abschiedsworte von Volkmar Clauß unverändert auch Beelitz in den Mund legen. Er leitete als Intendant einige Neuerungen technischer und organisatorischer Art ein und verantwortet einen anspruchsvollen Spielplan, der immer wieder auch überregionale Beachtung fand. Auch die Schlossfestspiele erneuerte Beelitz und verknüpfte sie enger mit dem Heidelberger Theater. Mit diesem touristisch attraktiven Festival hängt allerdings auch eine der schmerzlichsten Entscheidungen des Intendanten zusammen: Wegen des gestiegenen Kostendrucks sparte man 2003 erstmals die legendären Aufführungen der amerikanischen Operette «The Student Prince» ein.
Den Verzicht von Beelitz auf eine denkbare Vertragsverlängerung dürfte auch bestärkt haben, dass der Intendant die komplette Eigenständigkeit des Heidelberger Tanztheaters nicht verteidigen konnte. In Kooperation mit Freiburg und mit Abstechern nach Heilbronn soll in Zukunft ein Ballettensemble agieren, das mit elf Mitgliedern denkbar knapp bemessen ist. Die Einsparungen sind im Vergleich mit den Theateretats gering und werden mit einem beträchtlichen organisatorischen Mehraufwand erkauft, dessen finanzielle und nicht zuletzt künstlerische Auswirkungen kaum hieb- und stichfest kalkuliert werden können.
Beelitz\' Amtszeit ist außerdem durch die im ersten Anlauf gescheiterte Suche nach einem Orchesterchef getrübt, die zwischen Tragödie und Posse schwankte: Nachdem sich der favorisierte Gabriel Feltz für die Stuttgarter Philharmoniker entschieden hatte, wollte man in Heidelberg die ursprünglich zweitplatzierte Dirigentin Cosima Sophia Osthoff plötzlich nicht mehr haben - eine angeblich künstlerische Wertung, die jedoch den Verdacht nicht entkräften konnte, dass Osthoff letztlich doch nur als Quotenfrau der vermeintlich «zweitbeste» Rang zuerkannt worden war.
2005 sollen nun die Stellen des Intendanten und des Generalmusikdirektors gleichzeitig neu besetzt werden. Eine durchaus nicht unsinnige Perspektive, dürfte doch eine neue Doppelspitze besonderen Schwung mit sich bringen. Dennoch steht zu befürchten, dass die beiden Neuen keine Morgengaben der Stadt erhalten, sondern mit weiteren Kürzungen konfrontiert werden. Mit diesen trüben Aussichten steht Heidelberg in der deutschen Theaterlandschaft nicht alleine. Den festlichen Grußworten zum Jubiläum jedenfalls mischt sich unter diesen Umständen ein schaler Beigeschmack hinzu.
Jürgen Hartmann