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Der Autor des Bühnenstücks "Der Stellvertreter", Rolf Hochhuth, hält der deutschen Filmbranche fehlende Risikobereitschaft vor. "Die Rechte an meinem Stück haben 38 Jahre lang herumgelegen, und kein deutscher Regisseur hat den Mut aufgebracht, es zu verfilmen", sagte Hochhuth auf der Berlinale.
Berlin (ddp-bln). Deshalb spreche er dem aus Griechenland stammenden und in Frankreich lebenden Regisseur Constantin Costa-Gavras und dem französischen Produzenten Claude Berri seinen großen Dank aus, weil beide sich an eine englischsprachige Kinoadaptation herangewagt haben. Die französisch-deutsche Koproduktion läuft unter dem Titel "Amen" im Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele.Das historische Drama setzt sich kritisch mit der Rolle der katholischen Kirche während der Nazi-Zeit und ihrem Schweigen zu Verfolgung und Vernichtung der Juden auseinander. Im Mittelpunkt der Handlung stehen ein SS-Obersturmbannführer und ein katholischer Priester, die letztlich vergeblich versuchen, die Kirche zum Protest gegen Hitlers so genannte Endlösung zu bewegen. Die Hauptrollen spielen Ulrich Tukur, Mathieu Kassovitz und Ulrich Mühe.
Das Drehbuch basiert weitgehend auf Hochhuths Stück "Der Stellvertreter". Mit "Amen" ist der zweimalige Oscar-Preisträger Costa-Gavras zum vierten Mal auf der Berlinale präsent. Der Regisseur, der am Mittwoch 69 Jahre alt wurde, sollte am selben Tag mit einer "Berlinale Kamera" geehrt werden. Hochhuth nannte Costa-Gavras den "bedeutendsten politischen Filmemacher der Welt".
Costa-Gavras wies darauf hin, dass auch die nachfolgenden Generationen noch über das Thema der industriellen Vernichtung von Menschen durch die Nazis sprechen würden. "Jene Jahre gehören zu den schlimmsten der Menschheitsgeschichte", sagte der Regisseur. Es sei ihm wichtig gewesen zu zeigen, dass man angesichts der schrecklichen Ereignisse "den Mund aufmachen musste". Einzelne hätten zwar Widerstand geleistet, es habe aber keine öffentlichen Proteste während der Nazi-Zeit gegen diese Verbrechen gegeben.
Der Regisseur betonte, nicht nur der Papst habe über die Ermordung der Juden in den Vernichtungslagern Bescheid gewusst, sondern auch viele Regierungen. Aber auch sie hätten geschwiegen. Auch heute gebe es ein ähnliches Stillschweigen zu aktuellen Problemen in der Welt.
Hochhuth verteidigte den Filmemacher gegen den Vorwurf, die Verfilmung habe sich zu weit vom politischen Gehalt des Stücks entfernt und es insofern verraten. "Der Filmemacher hat mit Bildern zu tun und der Autor mit Worten," sagte der Schriftsteller. Costa-Gavras habe es verstanden, mit den leeren Eisenbahnwaggons und der leitmotivisch eingesetzten Musik Eindrücke zu vermitteln, "die wir armen Theaterleute nie zustande bringen können". Der Regisseur habe "ein Maximum geleistet", seine Bilder hätten "die Dialoge angemessen ersetzt".
Der Vizepräsident des Fernsehsenders Arte, Jérome Clément, betonte in einer Ansprache zu Ehren des Regisseurs in Berlin, Costa-Gavras habe mit "Amen" einen "ganz zeitgemäßen Film gemacht, denn das Thema ist leider noch immer aktuell". Es handele sich um einen "großen Film", der tief berühre. Der Film beleuchte in noch nie gesehener Weise "die Gleichgültigkeit des Papstes und der politisch Verantwortlichen, die die Augen schlossen, als sie sie hätten öffnen müssen". Clément fügte hinzu, "Amen" erinnere an die Pflicht, "Wachsamkeit, Mut und Widerstandsgeist zu zeigen".