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Jugendliche in der Bauhütte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz

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Wiesenburg (ddp-lbg). Probieren geht über Studieren. Nach diesem Motto haben die beiden zierlichen Abiturientinnen Friederike Seidler und Inga Müller die vergangenen Monate im Wald verbracht. Im Zuge der ersten Jugendbauhütte Brandenburg/Berlin traten sie im September 2004 ihre Stellen bei der Fachwerkstatt für Denkmalpflege und Restaurierung Kurt Spatzier in Wiesenburg bei Belzig an.

Die Tischlerei steht im Gewerbegebiet Verlorenwasser mitten im Fläming.
«Ich wollte unbedingt hierher, weil ich etwas mit Holz machen wollte», erzählt Friederike Seidler, die aus der Uckermark kommt. Ihr brünettes, gelocktes Haar hat sie zu einem Zopf zusammengebunden. Feine Holzspäne pudern ihr Gesicht. «Ich will Restaurierung studieren und brauche dazu ein praktisches Jahr. Aber niemand wollte mich nehmen.» Als Jüngste in ihrem Studiengang werde sie im September in Hildesheim mit dem Studium beginnen, erzählt die 20-Jährige stolz. «Ohne die Jugendbauhütte wäre das nicht möglich gewesen. Auch, weil mir wichtige Kenntnisse für die Aufnahmeprüfung gefehlt hätten.» Das bestätigt auch Inga Müller: «Wir haben hier wahnsinnig viel gelernt. Wir hatten ein richtig volles Lehrprogramm von der Holzauswahl über das Zuschneiden, Verleimen, Verzinken, der Oberflächenbehandlung bis zum Schnitzen. Und in den Seminaren, die an verschiedenen Orten stattfanden, haben wir uns zudem mit Malerei, Stuckatur, Lehm- und Ziegelbau sowie den kunstgeschichtlichen Epochen beschäftigt. Das war toll.» Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin hat zuletzt in Holland gelebt. Dort hat die 21-Jährige auch schon einen Studienplatz für Kunstgeschichte sicher. «Mir gefällt es hier in Ostdeutschland aber so gut, dass ich hoffe, die Viadrina in Frankfurt (Oder) nimmt meine Bewerbung an.» Die zwei jungen Frauen haben aber noch mehr mitgenommen. «Die Zeit ist wahrlich nicht verschenkt. Wir sind total selbstständig geworden. 360 Euro bekamen wir im Monat. Davon mussten die Wohnung, das Fahrgeld und Lebensmittel bezahlt werden. In der Schule wird man behütet, hier mussten wir zeitig raus und den ganzen Tag an der Werkbank stehen. Da sind uns Muskeln gewachsen», erzählen die beiden unisono und zeigen lachend auf die Wölbungen ihrer Oberarme unter den bunten T-Shirts. Dann greifen sie zu ihren Ohrenschützern und gehen wieder an die Werkbank. Ihre Abschlussarbeit, eine selbstgebaute Truhe, muss fertig werden.
Der Meister Kurt Spatzier sieht das gern. «Mit den Mädels hatten wir Glück», freut sich der Tischler und Restaurator. «Sie sind sehr offen und motiviert. Bei Lehrlingen ist das oft nicht so.» Deshalb habe man diesmal auch keinen Lehrling genommen. Die Kosten überstiegen langsam die Möglichkeiten der Tischlerei, obwohl sie mit zu den größten im Land Brandenburg zähle. Zahlreiche Kirchen in Ostdeutschland trügen die Handschrift des Restaurierungsbetriebes aus Wiesenburg. Zu den Stammkunden gehöre die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.
Der 56-Jährige leitet den Familienbetrieb in der vierten Generation. 15 Mitarbeiter beschäftigt er, darunter die beiden Söhne, die ihre Meisterbriefe schon in der Tasche haben. «Wir haben gleich mitgemacht, als die Jugendbauhütte anfragte», erzählt Kurt Spatzier. «Man muss doch etwas für den Denkmalschutz tun, den Jugendlichen die Augen öffnen. Auch wenn wir monatlich 200 Euro pro Freiwilligen zahlen, wir sind im September wieder dabei und freuen uns auf zwei neue Mädchen."
Die Jugendbauhütte Brandenburg/Berlin ist mehr als zufrieden. «Alle 27 Teilnehmer haben unser erstes Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege (FJD) positiv bewertet», bilanziert der Projektleiter Bernd Henning von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) in Potsdam. Im September beginnt der zweite Durchgang. Mehr als 100 Jugendliche hätten sich um die 27 Plätze beworben. Die Teilnehmer hätten sich unter anderem für einen Einsatz in der unteren Denkmalschutzbehörde Brandenburg, der Akademie der Künste Berlin, dem Klosterstift zum Heiligen Grabe und dem Stadtmuseum Lübben entscheiden können. Für das Projekt stehen nach DSD-Angaben so wie bei dem ersten Durchgang etwa 300 000 Euro zur Verfügung.