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Maxim Billers neuer Roman «Esra» bleibt verboten. Das Buch darf auch nicht mehr in einer zum Teil geschwärzten Fassung veröffentlicht, vertrieben oder beworben werden. Das Münchner Landgericht gab am Mittwoch einer Klage der Ex-Freundin des Autors und deren Mutter statt.
Maxim Billers Roman «Esra» bleibt verboten - Gericht: Klägerinnen «für weite Kreise» in Buch erkennbarMünchen (ddp). Die beiden Frauen hatten sich in der Geschichte wiedererkannt und sahen dadurch ihre Persönlichkeitsrechte verletzt.
Das Buch handelt von der schwierigen Liebe zwischen Adam und Esra. Die männliche Hauptfigur ist Schriftsteller wie Biller, die weibliche ist Schauspielerin und Bundesfilmpreisträgerin, so wie Billers Ex-Freundin in der Realität. Esras Mutter wird dem Leser als Trägerin des «Alternativen Nobelpreises» vorgestellt, was auch die Mutter der Ex-Freundin Billers in Wirklichkeit ist.
In dem Buch seien die Klägerinnen «für weite Kreise» erkennbar, nicht bloß im Freundeskreis, sondern auch für Geschäftspartner und die Türkische Gemeinde in Deutschland, urteilte die 9. Zivilkammer des Münchner Landgerichts. Es handele sich «quasi um eine Biografie», auch wenn das Etikett «Roman» darauf stehe, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Die geschwärzte Fassung, in der viele persönliche Details ausgelassen sind, ändere daran nichts. Schließlich sei durch alle Medien gegangen, dass Autobiografisches darin verarbeitet wurde. Durch die Klage waren die beiden Frauen erst recht ans Licht der Öffentlichkeit geraten.
«Der Leser kann nicht erkennen, wo das reale Leben aufhört, und die Fiktion beginnt», sagte der Richter. Das gelte gerade bei den Szenen, in denen es um bestimmte Praktiken des Geschlechtsverkehrs geht. Der beklagte Verlag Kiepenheuer & Witsch hatte im Verfahren betont, dass gerade diese Passagen verfremdet worden seien. Die Frauen, die türkischer Abstimmung sind, wollten aber gerade wegen dieser intimen Details ein generelles Verbot erreichen.
Zuvor schon hatte eine einstweilige Verfügung gegen das Buch das Münchner Landgericht und das Oberlandesgericht beschäftigt. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hatte sich im April verpflichtet, die Geschichte höchstens verändert auszuliefern. Dazu wurden in einer Version vor allem Ortsangaben ausgelassen. Zwischenzeitlich gab es zwei geschwärzte Fassungen, von denen eine tatsächlich zeitweise über den Ladentisch ging. Nun ging es darum, ob das Buch «Esra» überhaupt auf den Markt kommt.
Der Theodor-Wolff-Preisträger Maxim Biller wurde durch seine Kolumne für das Zeitgeist-Magazin «Tempo» bekannt, in der er sich unter anderem mit dem deutsch-jüdischen Verhältnis auseinander setzte. Im Jahr 2000 veröffentlichte er seinen ersten Roman «Die Tochter», in dem es um einen Vater-Tochter-Inzest geht.
Michaela Koller
Romane vor Gericht
Berlin (ddp). Der bekannteste Literaturprozess der Nachkriegsgeschichte entzündete sich an Klaus Manns 1936 geschriebenem Roman «Mephisto». Dessen Hauptfigur erinnerte stark an Manns Schwager, den Schauspieler Gustaf Gründgens, der in der NS-Zeit sehr erfolgreich war. Als das Buch Mitte der 60er Jahre in der BRD erscheinen sollte, klagten die Gründgens-Erben bis zum Bundesverfassungsgericht.
Das entschied 1971, dass «Mephisto» erst herausgegeben werden dürfe, wenn die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst sei. Bis 1981 blieb der Roman verboten. «Eine bis heute gültige Leitentscheidung», sagt Christian Sprang, Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Seine Abteilung bearbeitet jährlich etwa sieben solcher Fälle - bei immerhin 80.000 bis 90.000 Neuerscheinungen.
Ein Münsteraner Hochschullehrer klagte im Januar dieses Jahres gegen den Kriminalroman «Wilsberg und der tote Professor» von Jürgen Kehrer. Er erkannte sich in der Figur des fiesen Dozenten wieder. Kehrer argumentierte, dass er seinen Kontrahenten gar nicht kenne - und gewann. Der Prozess brachte nach Angaben seines Verlages 2.000 zusätzlich verkaufte Exemplare.
Die Ex-Freundin des Autoren Alban Nikolai Herbst (alias Alexander von Ribbentrop) verbot diesem per einstweiliger Verfügung und unter Androhung einer Geldstrafe von bis zu 250 000 Euro aus seinem Roman «Meere» vorzulesen oder vorlesen zu lassen. In der SWR-Sendung «Literatur im Foyer» las Herbst dennoch. Der Ton wurde aus- und der folgende Kommentar eingeblendet: «Wir begrüßen die in Gang gebrachte Entrümpelung der deutschen Literaturgeschichte und schlagen vor, Goethes »Werther«, Thomas Manns »Lotte in Weimar« sowie die »Buddenbrooks« baldmöglichst aus dem Verkehr zu ziehen.»