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Ehrentag für einen Jahrhundertroman - Am Bloomsday feiert die literarische Welt James Joyce\' «Ulysses»
Berlin (ddp). Am 16. Juni 1904 streift in James Joyce\' Roman «Ulysses» der Annoncenakquisiteur Leopold Bloom durch Dublin. Als so genannter Bloomsday ist dieser Tag in die Geschichte der Literatur eingegangen. Er ist der einzige weltweit gefeierte Ehrentag eines Romans. Literaturbegeisterte Joyce-Fans pilgern jährlich am 16. Juni zu den in dem Werk beschriebenen Orten. Am Mittwoch jährt sich der Tag zum hundersten Mal.Die Literaturhäuser in Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Salzburg, München, Köln und Stuttgart feiern das Jubiläum unter anderem mit Diskussionen, einer Ausstellung skurriler Joyce-Artikel, Lesungen sowie musikalischen und kulinarischen Ausflügen ins Dublin der Jahrhundertwende. In Salzburg kann der Roman auf einer Tour durch die Stadt in 18 Stunden und 45 Minuten chronologisch «durchlebt» werden.
Das Literaturhaus Köln wirft ab 8.00 Uhr, der Stunde, in der das Buch beginnt, einen «den ganzen Tag lang dauernden Blick in die Joyce-Welt». Auf dem Programm stehen Einspielungen der Originalstimme des gebürtigen Dubliners James Joyce (1882-1941), Gespräche mit Joyce-Lesern sowie als Vorabpremiere die deutsche Erstaustrahlung des Arte-Dokumentarfilms «Ulysses in Dublin» von Charlotte Szlovak.
In Berlin erlebt der Bloomsday einen Höhepunkt in der Oranienburger Straße, wo wie in der Nassau Street in Dublin zwischen großstädtischem Kneipenleben Prostituierte Männer becircen. Im Kulturzentrum Tacheles in der Oranienburger Straße werden am Mittwoch 16 Schauspieler ausgehend vom «Circe»-Kapitel aus «Ulysses» einen Open-End-Abend «zwischen Aufbruch und Untergang, Angst und Überschwang, Verlorenheit und Siegeszug» gestalten.
Joyce\' Welterfolg «Ulysses» erzählt diesen einen Tag im Leben des Leopold Bloom von acht Uhr morgens bis drei Uhr nachts auf 1000 Seiten. Den 16. Juni 1904 wählte Joyce dafür, weil er an diesem Tag zum ersten Mal das Zimmermädchen Nora Barnakle geküsst hatte, mit der er dann sein weiteres Leben verbrachte.
Im Suhrkamp Verlag ist im Mai die erste kommentierte Ausgabe des Romans erschienen. Sie verzeichnet nach Verlagsangaben alles, «was nachprüfbar ist: Orte, Institutionen, Ereignisse, Personen ebenso wie den Bildungsschatz, der in den Roman eingearbeitet ist». Anlässlich des 100. Bloomsday veranstaltet Suhrkamp auch ein Joyce-Preisausschreiben. Wer sechs Fragen zum Roman richtig beantwortet, kann unter anderem ein Wochenende in Dublin gewinnen.
«Ulysses» gilt als einer der wichtigsten Romane der literarischen Moderne. Gleichzeitig wird dem Werk aber nachgesagt, dass zwar alle über den Roman sprechen, kaum jemand ihn aber komplett gelesen hat. Der Verzicht auf Anführungszeichen und im Schlussmonolog sogar auf Interpunktion erschwert das Lesen ebenso wie das Springen zwischen Ereignissen und Gedanken.
Hundert Jahre, nachdem Leopold Bloom durch Dublin lief, sei nur noch die Frage offen, «haben Sie den \'Ulysses\' auch nicht gelesen?», stellte auch die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» am Wochenende fest. Elke Heidenreich gestand dem Blatt, sie habe es immer wieder versucht, sei aber nie fertig geworden. Autor Peter Esterhazy hingegen wies die Umfrage «voller Entrüstung» zurück, und betonte, dass für ihn die Lektüre von «Ulysses» «eine vergnügliche und leidenschaftliche Unterhaltung» war.
Ulrike Geist
http://www.literaturhaeuser.net
http://www.suhrkamp.de/home/index.htm
http://www.berlin-bloomsday.com/