Obwohl der Bayerische Rundfunk die Vier „entsorgt“ und sein viertes Programm in BR Klassik umgetauft hat, bleiben zwei Sendeplätze für Musikfeatures erhalten. Das Angebot auf Bayern 2 und BR Klassik reicht im Oktober von Barcelona bis Donaueschingen, vom musikalischen Spaziergang zum musikalischen Grauen vom Kultlabel ECM bis hin zu Teufelsgeigern aus Barock und Romantik.
Bürgerstolz und Weltbühne
Das Gran Teatre del Liceu Barcelona
Von Franziska Stürz
8. Oktober 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Es war der dritte Großbrand in der Geschichte des Gran Teatro del Liceu Barcelona, der am 31. Januar 1994 das geschichtsträchtige Opernhaus und Aushängeschild des kunstsinnigen Barceloneser Bürgertums mitten im belebten Zentrum der Stadt in Schutt und Asche legte. Nur die Hauptfassade, das Eingangsfoyer und der darüber liegende Spiegelsaal aus dem Gründungsjahr 1847 blieben verschont. Doch die völlige Zerstörung bot auch die Möglichkeit eines totalen Neubeginns, einschließlich der Umstrukturierung des gesamten Verwaltungsapparates.
Wie sich das Liceu vom Treffpunkt der Bourgeoisie zur international renommierten Bühne gewandelt hat, welche Chancen der Neubeginn vor genau zehn Jahre bot, und wie der Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und zeitgemäßer Oper für Barcelona und das internationale Publikum gewagt und geschafft wurde, erzählt Autorin Franziska Stürz in ihrem Feature. Zu hören sind u. a. der Generalmusikdirektor Sebastian Weigle sowie musikalische Höhepunkten aus der spannenden Vergangenheit dieses berühmten Theaters. Eine Radio -Opernreise an die Rambla – Sie sind herzlich eingeladen!
Next To Silence – 40 Jahre ecm
Von Tilman Urbach
11. Oktober 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
ECM ist wahrscheinlich das bekannteste Label für zeitgenössischen Jazz und Neue Musik. Dahinter verbirgt sich ein Name: Manfred Eicher. Ende der 1960er Jahre nahm er mit geliehenem Geld die erste Platte auf und entwickelte sich schnell zum personifizierten Dreh- und Angelpunkt der Independent Szene. Keith Jarrett, Jan Garbarek oder Pat Metheny wurden durch Veröffentlichungen bei ECM berühmt. Von Anfang an kümmerte sich Manfred Eicher von der exzellenten Aufnahme bis zum Cover um alle Details des Schallproduktes. Bald sprach man von der unverwechselbaren ECM-Ästhetik. In den 1980er Jahren entdeckte Eicher mit dem estnischen Komponisten Arvo Pärt zusätzlich die Neue Musik, die bis heute in der „New Series“ ihren Platz findet. In den letzten Jahren kamen Veröffentlichungen heraus, die sich der klassischen Musik widmen.
Mit der Sendung „Next To Silence“ portraitiert Tilman Urbach das Label. Im Studiogespräch äußert sich Manfred Eicher über seine musikalischen Vorlieben, über Orte, an denen er Musik entdeckt, über die Zusammenarbeit mit den Künstlern und Komponisten. Mit jeder Menge ECM-Musik.
THEMA MUSIK LIVE Spezial:
Live von den Donaueschinger Musiktagen
Organisation & Organismus: Klangkörper Orchester
15. Oktober 2009
Kooperation mit SWR und HR
BR-Klassik, 20.05-21.30 Uhr
Unbeeindruckt von den seit Jahrzehnten geführten Diskussionen über die institutionelle Schwerfälligkeit und aufwendig zu finanzierende Daseinsform, gibt es ihn noch, den Klangkörper Orchester. Mag es im gängigen Konzertbetrieb auch ein festes Repertoire von klassisch-romantischer Orchesterliteratur sein, das weltweit allzu eingeschränkt gespielt wird, so atmet dieser Klangkörper nach wie vor Gegenwärtiges und lässt Raum für Neues und Kreatives. So steht das Sinfonieorchester bei den diesjährigen Donaueschinger Musiktagen im Zentrum und beschreitet als „mäanderndes Orchester“ neue Wege der Interaktion zwischen Komponist, Interpret und Hörer.
Wie flexibel ist die aktuelle Orchesterstruktur für solche Experimente? Wie sehr ist die Institution Spiegel unserer Gesellschaft und Motor für wichtige Entwicklungen in Musik und Kunst? Darüber diskutieren die Komponisten Rolf Riehm und Mathias Spahlinger, der Dirigent Rupert Huber sowie Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung. Solo-Posaunist Frederic Belli spielt Musik von Iannis Xenakis und Folke Rabe. Moderation: Meret Forster und Stefan Fricke.
passeggiate musicali
Thomas Manns musikalisches München
Von Markus Vanhoefer
18. Oktober 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
„München leuchtete.... Viele Fenster stehen geöffnet, und aus vielen klingt Musik auf die Straßen hinaus...“ München, die „Wagnerstadt“, die Stadt des Nationaltheaters, die Heimat großer Orchester und großer Kapellmeister, der Geburtsort von Richard Strauss, das europäische Zentrum klassischer Klangtradition. Nur allzu gerne hat sich das bayerische „Millionendorf“ Thomas Manns Attribut des „Leuchtenden“ an die selbstbewusste Brust geheftet. „Wie musiziert München? Nun, kunstfroh, und auch kunstfromm, gemütlich, großzügig und womöglich natürlich mit Genie“. Trotz aller Faszination ist die Beziehung zwischen dem Literaturnobelpreisträger und dem Ort, den er ab 1894 vierzig Jahre lang zu seinem Wohnsitz wählte, nicht frei von Dissonanzen. Die manchmal inspirierenden oft jedoch auch bitteren Wechselwirkungen zwischen Thomas Mann, München und seiner Musik sind ein Spiegel deutscher Geschichte zwischen kultureller Blüte und nationalsozialistischer Barbarei. „Passeggiate musicali“: In dieser Folge unserer „musikalischen Spaziergänge“ begibt sich Markus Vanhoefer auf die Suche nach den akustischen Spuren einer in sich widersprüchlichen Stadt, wie sie Thomas Mann erlebte, wie sie seine Biographie beeinflusste und wie sie in den Werken des Dichters zu entdecken ist.
Zwischen Teufelswerk und Religion
Louis Spohr, Niccolò Paganini und Heinrich Ignaz Franz Biber
Ein musikalischer Spaziergang von Jochem Wolff
22. Oktober 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Louis Spohr (1784-1859) war einer der führenden deutschen Komponisten und Violinvirtuosen, bevor sein Ruhm verblasste. An seine Kompositionskunst, sein virtuoses Spiel, aber auch an sein Wirken als Pädagoge und Erneuerer des Musiklebens sei anlässlich seines 225. Geburtstages und 150. Todestages erinnert. Es war ihm – aus reinen Konkurrenzgründen – nicht unlieb, dass die Kunst seines Gegenspielers Niccolò Paganini oftmals zum „Teufelswerk“ erklärt wurde. Denn gern changierte das damalige Bürgertum zwischen „Teufelswerk“ und Religionsersatz, wenn es um die Erklärung höchster virtuoser Leistungen ging. Schon früher waren einer Jahrhundertbegabung im Violinspiel diabolische Züge angedichtet worden: Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704). Seine Kunstfertigkeit weist schon voraus auf Paganini, wobei Jochem Wolffs musikalischer Spaziergang wieder ins 19. Jahrhundert und somit – nach einem dramaturgischen Hin und Zurück – wieder zu Spohr führt. Zur Thematik und dem historischen Umfeld äußern sich namhafte Musikschriftsteller, Wissenschaftler und Künstler; verbunden mit einer Reihe musikalischer Raritäten.
Angst und Schrecken in der Musik
Von Jörg Handstein
25. Oktober 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Der Blick fällt in eine "furchtbare Waldschlucht": Erschaut Max dort übernatürliche Schrecken oder die Abgründe der eigenen Seele? Es sind Urängste, die C.M. von Webers Freischütz auf die Bühne bringt und die der Mensch in Mythen, Bildern und Literatur seit jeher zu verarbeiten versucht. Doch keine andere Kunst vermag Angst und Schrecken so wirksam zu evozieren wie die Musik - was gerade die Klänge aus der Wolfsschlucht eindrucksvoll beweisen. Die Aufklärung konnte die irrationalen Ängste nicht bannen, ja gerade das "Zeitalter der Vernunft" war lange vor der Romantik von schaurigen Dingen fasziniert. Und ausgerechnet die hehre Klassik gab furchteinflößender Musik eine neue Tiefendimension. Im Gefolge der Aufklärung hat uns die Moderne bislang unbekannte Schrecken und Ängste beschert - die wiederum neu von den Künstlern verarbeitet werden: Eine Spur des Grauens zieht sich durch die Musikgeschichte. Jörg Handstein folgt ihr von der Barockoper bis in den Horrorfilm, von der modernen Symphonik bis in die Rockmusik.
+contrapunkt+
Italien
29. Oktober 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Italien werde im Vergleich zu anderen Ländern kulturell abstürzen, warnte der Dirigent Riccardo Muti schon 2005, als die damalige Regierung Berlusconi die Zuschüsse im Opernbereich um 20 Prozent kürzte.
Im Juli 2009 protestierten Schauspieler, Musiker und Regisseure in Rom erneut gegen Kürzungen der Regierung im Kulturbereich. Die Filmproduzenten drohten sogar mit einem Boykott des Filmfestivals von Venedig als Aktion gegen die Regierung Berlusconi. Das kulturelle Klima in Italien schlägt um. Der Rückzug des Staates aus der Grundversorgung mit Bildung, Kunst und Kultur geht einher mit einem drastisch wachsenden Einfluss privater Medien auf Öffentlichkeit und Politik.
++contrapunkt++ fragt nach, wie im Land von Dante, Michelangelo, Verdi und Nono mündige Bürger versuchen, sich dem Kulturverfall entgegen zu stemmen. Welche Spielräume, welche Gegenentwürfe gibt es? Wie steht es um den italienisch-deutschen Kulturaustausch? Und wie steht es im Land des Belcantos jenseits der politischen Kapriolen um die aktuellen Entwicklungen der Musik?
Es diskutieren Friederike Hausmann (Autorin), Petra Reski (Journalistin) und Luca Lombardi (Komponist). Fabio Romano spielt italienische Klaviermusik.