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Moritz Eggert. Foto: Hufner
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Absolute Beginners 2021/03

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Unterricht in Zeiten von Corona (8)
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Ich werde sehr oft nach meinen Studenten gefragt in diesen Tagen. „Wie geht es denen eigentlich?“, will man wissen. „Ist die Situation nicht wahnsinnig frustrierend für sie?“ Und ich muss antworten: ja, ist sie, aber meine Studenten sind toll und wahnsinnig tapfer.

Ich weiß nicht, wie es für mich als Student gewesen wäre, eine Pandemie zu erleben. Wäre ich vor Computerspielen versumpft? Hätte ich mich dem Suff ergeben? Vielleicht beides. Daher bin ich voller Bewunderung, wie fleißig meine Studenten an ihren Projekten arbeiten und wie wenig ihre Motivation nachgelassen hat. Manche komponieren mehr als zuvor, oft für Projekte, von denen sie gar nicht wirklich wissen, wann und ob sie je stattfinden.

Aber es gibt natürlich auch schwierige Situationen. So hatte der begabte Student, der schon seit Jahren auf seine theatralische Abschlussproduktion hingearbeitet hatte, einen Breakdown, als er erfuhr, dass diese Produktion nun auch drohte, unmöglich zu werden, aufgrund sehr streng ausgelegter Corona-Regularien an unserer Hochschule. Vorher hatte er 2020 jeweils bis zur kompletten Verausgabung drei riesige Großprojekte bis zum Abschluss komponiert, große Aufträge mit Orchester, von professionellen Institutionen in Auftrag gegeben, und jedes einzelne dieser Projekte war kurz nach der Fertigstellung der Komposition ersatzlos abgesagt worden. Als dies nun erneut drohte, wenn auch nur theoretisch, brachte er plötzlich keinerlei Energie mehr auf. Jedes Mal, wenn er sich ans Komponieren machte, bekam er Schweißausbrüche, was wirklich mehr als verständlich ist. Es gelang ihm dann, seinen Abschluss zu verschieben, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Was die Studenten daher momentan am meisten lernen, ist Geduld. Und Pragmatismus.

Eine andere Studentin hat ein schönes Stück für ein Alte-Musik-Ensemble geschrieben, für sieben Musiker, für ein Filmprojekt gemeinsam mit der Theaterakademie. Wochenlang war unklar, ob das Stück überhaupt aufgenommen werden konnte, die zuständige Person für die Aufnahmestudios war ewig nicht zu erreichen, auch blieb unklar, ob die Aufnahme überhaupt unter den momentanen Bedingungen erlaubt ist oder nicht. Sie hatte schließlich den Plan innerlich aufgegeben, und gemeinsam mit ihr diskutierte ich schon Lösungen, das Stück eventuell per Zoom und Clicktrack zu realisieren. Dann aber kam ganz kurzfristig plötzlich ein Lichtblick: es geht doch! Schnell die Musiker zusammengetrommelt, kurz geprobt, dann war die Aufnahme im Kasten. Und alle Beteiligten sehr froh, an etwas Schönem mitgewirkt haben zu können.

Überhaupt – noch nie waren Studenten so willig, bei Neue-Musik-Projekten mitzumachen oder diese anzuregen. Ein Blechbläserquartett der Hochschule kontaktierte mich und bot von sich aus einen wunderbaren dreitägigen Bläserworkshop an. In der Folge entstehen nun lauter Stücke, von denen man zwar noch nicht weiß, wann sie aufgeführt werden können, aber jeder einzelne geschriebene Ton ist ein Fortschritt für die Komponierenden. Die Studenten, die nicht live dabei sein konnten, schaltete ich per Skype zu. Um mit den Musikern zu kommunizieren, wurde ein Laptop herumgereicht. Skurril, aber es geht.

Wir alle leiden, manche still, manche lauter. Noch nie war man so oft versucht, den doofen Satz „Das Leben ist kein Ponyhof“ zu beschwören, und tut es dann doch nicht, weil es einfach zu platt ist. Aber das liegt auch daran, weil man den Satz zum ersten Mal wirklich versteht.

Aber für mich ist ein anderer Satz der beste Leitsatz für diese Tage, und es ist ein sehr münchnerischer Satz, der auf alle Zeiten mit dem unvergleichlichen Helmut Fischer verbunden ist. „Ein bisserl was geht immer“. Und das macht mir Hoffnung.

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