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Aus Förderung wird oft Bevormundung

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Die gemeinnützigen Vereine und ihr Beitrag zur Zivilgesellschaft
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Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung erlebt wie die Frage des Bürgerschaftlichen Engagements. War noch vor wenigen Jahren von der angestaubten Vereinsmeierei die Rede, so wird heute endlich anerkannt, wie wichtig und wertvoll das Bürgerschaftliche Engagement ist und welcher Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft gerade auch in gemeinnützigen Vereinen geleistet wird.

Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren einen solchen Aufschwung erlebt wie die Frage des Bürgerschaftlichen Engagements. War noch vor wenigen Jahren von der angestaubten Vereinsmeierei die Rede, so wird heute endlich anerkannt, wie wichtig und wertvoll das Bürgerschaftliche Engagement ist und welcher Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft gerade auch in gemeinnützigen Vereinen geleistet wird.Oftmals können die gemeinnützigen Vereine ihre Ziele nicht ohne öffentliche Unterstützung erreichen. Diese Unterstützung des Staates für gemeinnützige Vereine ist, was die Unterstützung des einzelnen Vereins angeht, nicht verpflichtend. Wohl aber hat der Staat nach dem Subsidiaritätsprinzip die Pflicht, die gemeinnützigen Vereine in ihrer Gesamtheit zu fördern.

Die staatliche Unterstützung bedeutet aber nicht, dass diese Organisationen sich dem Staat angleichen oder gar staatlich handeln müssen. Die Prinzipien staatlicher Unterstützung haben aber vielfach zur Folge, dass Organisationen Formen staatlichen Handelns, im Sinne von bürokratischem Handeln, annehmen. Diese Verbindung zwischen Staat und den gemeinnützigen Vereinen über das Subsidiaritätsprinzip ist nicht spannungsfrei. Ein großes Konfliktfeld ist die öffentliche Förderung von Vereinen, die sogenannte „Zuwendung“. Bei den Verbändeanhörungen der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestag wurde deutlich, dass gerade bei den öffentlichen Zuwendungen Bürgerschaftliches Engagement in den Vereinen massiv behindert wird. Das Zuwendungsrecht und insbesondere die Zuwendungspraxis der öffentlichen Hand ist durch zahlreiche hoheitsrechtliche Relikte geprägt. Allein die Begriffe „Zuwendungsempfänger“ für die geförderten Vereine und „Zuwendungsgeber“ für den Staat drücken ein Ungleichheitsverhältnis aus. Dieses ungleiche Verhältnis findet in der Praxis unter anderem auch darin seinen Ausdruck, dass im Regelfall allein der Zuwendungsgeber, also die Verwaltung, entscheidet, welche Form der Zuwendung angemessen und adäquat ist. Der Zuwendungsnehmer muss, salopp gesprochen, mit dem zufrieden sein, was er und wie er es bekommt.

Die grundsätzlichen Probleme in der Zuwendungspraxis haben ihre Ursache in den verschiedenen Handlungslogiken von Zuwendungsnehmer und Zuwendungsgeber. Der Zuwendungsgeber, das heißt die Verwaltung, führt die Verwaltungsvorschriften aus. Der Zuwendungsnehmer, das heißt die Vereine, will in erster Linie inhaltliche Ziele verfolgen und muss dabei die Verwaltungsvorschriften beachten. Selbst wenn ihnen das noch gelingt, wird die Handlungslogik der Zuwendungsgeber die Autonomie des Zuwendungsnehmers trotzdem in einer unverantwortlichen Weise einschränken.

Indem der Zuwendungsempfänger alle Eigenmittel in den Kosten- und Finanzierungsplan eines Projektes oder den Haushalts- und Wirtschaftsplan bei der institutionellen Förderung einstellen muss, gibt er seine Haushaltsautonomie auf. Über die Verwendung seiner Mittel, das heißt der Mitgliedsbeiträge, der erwirtschafteten Mittel, der Spenden und so weiter entscheidet der Zuwendungsgeber im Rahmen des zuvor vorgelegten Budgetplans. Haushaltsentscheidungen der gewählten Gremien eines Vereins haben nur noch deklaratorischen Charakter. Sie sind für die letztliche Haushaltsführung ohne Belang. Ein Verein wird damit wichtiger demokratischer Rechte seiner Gremien beraubt. Und dieser Haushalt wird dann oftmals von ehrenamtlichen Helfern bewirtschaftet und gegenüber den Zuwendungsbehörden abgerechnet. Diese ehrenamtlichen Schatzmeister und Vereinsvorstände sind im Zuwendungsrecht nicht geschult und erledigen ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen, aber trotzdem manchmal den Verwaltungsvorschriften nicht entsprechend. Ihnen gegenüber steht immer öfter eine Behörde, die sich für die Inhalte überhaupt nicht interessieren darf. Im Zuge des Programms „schlanker Staat“ aus der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages und jetzt „moderner Staat – moderne Verwaltung“ wurden vermehrt Aufgaben aus den Bundesministerien auf nachgeordnete Behörden, im Zuwendungsbereich das Bundesverwaltungsamt, abgeschichtet. Die Bundesministerien sollen sich zuerst ministerialen Aufgaben widmen und die reinen Verwaltungsaufgaben werden von nachgeordneten Behörden wahrgenommen. Die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine Verwaltungsausbildung durchlaufen. Ihr Aufgabengebiet ist die Prüfung der genauen Einhaltung von Verwaltungsvorschriften. Ob durch eine mögliche vereinsfreundliche Auslegung der Verwaltungsvorschriften ein Ziel besser erreicht werden kann, wird nicht geprüft.

Diese Diskrepanz zwischen Zuwendungsnehmer und Zuwendungsgeber führt zu großen Problemen in der konkreten Zuwendungspraxis. Zugespitzt könnte man sagen, dass ein Zuwendungsempfänger seine Zuwendungen umso besser abrechnen kann, je mehr er sich in seinem Handeln einer Behörde annähert. Doch gerade dieser Weg ist nicht akzeptabel für gemeinnützige Vereine.

Das Zuwendungsrecht lässt dabei Spielräume für die geförderten Vereine, die in der Zuwendungspraxis von der Verwaltung leider nicht ausgeschöpft werden. Zum Beispiel wurden mit der Einführung von Selbstbewirtschaftungsmitteln bereits Instrumente geschaffen, die eine größere Flexibilität in der Mittelverwendung ermöglichen. Dieses gilt besonders für das Jährlichkeitsprinzip. Auch im Hinblick auf die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln gibt es bereits Möglichkeiten der gegenseitigen Deckung von Personal- und Sachmitteln sowie der Deckung der verschiedenen Titel der Sachkosten.

Unbedingt sollte die Festbetragsfinanzierung die Regelfinanzierung von gemeinnützigen Vereinen werden. Die übliche Form der Fehlbetragsfinanzierung schafft keine Anreize, eigene Mittel zu erwirtschaften, sie hebelt darü-ber hinaus in unverantwortlicher Weise die Finanzautonomie der Vereine aus. Um den Vereinen stärkere Möglichkeiten einzuräumen, ihre Finanzhoheit wahrzunehmen, müssen sie in der Einwerbung und Verwendung ihrer Mittel eigenständiger werden. Instrumente wie die Festbetrags- oder Anteilsfinanzierung, die bei öffentlich geförderten kommerziellen Unternehmen regelmäßig eingesetzt werden, um wirtschaftliche Anreize zu setzen, bieten auch für gemeinnützige Vereine entsprechende Ansätze.

Doch diese Möglichkeiten der flexibleren Mittelbewirtschaftung werden nur dann sinnvoll einzusetzen sein, wenn die Zuwendungsempfänger in der Zukunft im Zuwendungsrecht und in steuerlichen Fragen geschult werden. Aber auch der Zuwendungsgeber muss endlich seine Beratungsverpflichtung ernster nehmen. Im Sozialrecht ist die Behörde verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten aufzuklären. Auch für Zuwendungsgeber sollte eine Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflicht nach dem Vorbild der §§ 13 bis 15 Sozialgesetzbuch I gesetzlich vorgeschrieben werden. Wer die gemeinnützigen Vereine stärken will, muss ihnen ihre Autonomie trotz öffentlicher Förderung belassen und muss sie in die Lage versetzen, auf Augenhöhe mit der Zuwendungsbehörde verhandeln zu können. Die Bevormundung der gemeinnützigen Vereine muss aufhören.

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