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Paukenschläge, Reformen, Gesetzesvorhaben

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Anforderungen an die Kulturpolitik in der neuen Legislaturperiode &#183
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Die neue Legislaturperiode begann für den Kulturbereich mit einem Paukenschlag. Die Spendenabzugsfähigkeit für Körperschaften stand auf dem Spiel und der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Kunstwerke und Sammlungsgegenstände sollte auf den vollen Satz angehoben werden. Beide Maßnahmen hätten auf den gesamten Kulturbereich massive Auswirkungen gehabt und konnten in letzter Minute abgewandt werden.

Dabei begann eigentlich alles sehr vielversprechend. Nachdem in der Bundestagswahl 1998 von Seiten der Kulturverbände ein Beauftragter für Kultur auf der Bundesebene massiv eingefordert worden war, wurde mit Michael Naumann ein Staatsminister für Kultur und Medien in das Schattenkabinett von Gerhard Schröder einberufen. Der lautstarke Protest, insbesondere aus den südlichen Bundesländern, schien Michael Naumann sportlich zu reizen und so entstand aus dem Wettstreit von Ländern, Kulturverbänden und dem designierten Staatsminister das wichtige Wahlkampfthema: Kultur.

Reformen im Kulturbereich gehörten zu den wichtigen Reformvorhaben, die eine rot-grüne Bundesregierung anpacken wollte, und mit Antje Vollmer trat bei Bündnis 90/Die Grünen eine erfahrene Kulturpolitikerin für die Stärkung der Bundeskulturpolitik ein. Nach der Wahl 1998 wurden die Zusagen eingelöst und Michael Naumann zum Staatsminister für Kultur und Medien beim Bundeskanzler berufen. Der Deutsche Bundestag richtete einen Ausschuss für Kultur und Medien ein. Kulturpolitik war nicht mehr nur Sache einiger weniger Eingeweihter, die sich über Parteigrenzen hinweg vornehmlich untereinander austauschten, sondern Kulturpolitik wurde zu einem ganz normalen Politikfeld.

Die Bilanz der ersten Legislaturperiode eines Staatsministers für Kultur und Medien sowie des Ausschusses für Kultur und Medien kann sich sehen lassen. Mit der Reform des Stiftungssteuer- und Stiftungszivilrechts wurden zwei Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung eingelöst. Das Gesetz zur Buchpreisbindung sichert den gebundenen Ladenpreis für Bücher in Deutschland. In der Legislaturperiode wurde das Problem der Besteuerung ausländischer Künstlerinnen und Künstler von Bundesregierung und Parlament aufgegriffen und einer positiven Lösung zugeführt. Darüber hinaus wurde mit der Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler verbessert.

Nachdem die Länder in den Jahren 1998 bis 2002 festgestellt hatten, dass weder ihre Kompetenz für Kulturpolitik berührt wurde, noch die befürchtete „Reichskulturkammer” entstand, wurde der Widerstand gegen das Amt des Kulturstaatsministers aufgegeben. In den Fragen des Deutschen Kulturrates an die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 2002 sicherten alle Parteien zu, zumindest die vorhandene Struktur beizubehalten. Bündnis 90/Die Grünen versprachen sogar ein eigenes Bundeskulturministerium.

Dennoch, im Wahlkampf gelang es nicht, der Kulturpolitik wieder den herausgehobenen Stellenwert zu geben, den sie im Wahlkampf 1998 hatte. Andere Themen wie die wirtschaftliche Lage, die Zahl der Arbeitslosen und dann in den letzten Wochen vor der Wahl der drohende Irak-Krieg standen im Vordergrund. Nach der Wahl sorgte lediglich für Aufmerksamkeit, dass Staatsminister Nida-Rümelin seiner wissenschaftlichen Laufbahn an der Universität Göttingen den Vorzug gab und für eine neue Amtszeit als Staatsminister nicht zur Verfügung stand. Nach einigen Gerüchten um mögliche Nachfolger wurde schließlich die ehemalige Hamburger Kultursenatorin, Christina Weiss, zur Staatsministerin ernannt.

Die Startchancen in dieser Legislaturperiode waren also ungünstiger als in der vorhergehenden. Im Wahlkampf gab es keine Aufbruchstimmung für kulturpolitische Reformen, der Ausschuss für Kultur und Medien kann auf eine bewährte Arbeitsweise zurückgreifen und muss sich nicht mehr so stark positionieren und eine parteilose Staatsministerin für Kultur und Medien verfügt über keinen direkten politischen Draht zu den Regierungsfraktionen. Nicht zu vergessen ist, dass die aktuelle Haushaltslage des Bundes Geschenke nicht erwarten lässt.
Dennoch gelang es in den Koalitionsverhandlungen mit der Verankerung der Kulturverträglichkeitsprüfung in der Koalitionsvereinbarung ein wichtiges Instrument zu etablieren. Die Kulturverträglichkeitsprüfung stammt aus dem EU-Kontext. Im Vertrag von Amsterdam ist in Artikel 151, Absatz 4 festgelegt worden, dass die Gemeinschaft bei ihren Politiken den kulturellen Aspekten Rechnung trägt und die Vielfalt der Kulturen wahrt und fördert. Konkret bedeutet dies, dass die EU bei allen Politiken prüfen muss, ob die Kultur dadurch Schaden nehmen könnte.

Die Kulturverträglichkeitsprüfung könnte also ein sehr wichtiges Instrument sein, um zu verhindern, dass durch kulturferne Politikfelder die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur verschlechtert werden. Wettbewerbskommissar Mario Monti hat sich allerdings, bei seinen Bestrebungen die grenzüberschreitende Buchpreisbindung zu unterbinden, von der Kulturverträglichkeitsprüfung nicht beirren lassen. Auf der EU-Ebene hat sich bislang die Kulturverträglichkeitsprüfung – nicht nur mit Blick auf die Buchpreisbindung – als stumpfes Schwert erwiesen.

In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung des Jahres 2002 steht: “Ein Schwerpunkt bleibt die weitere Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur. Dazu gehört die stärkere Berücksichtigung der kulturellen Dimension der Gesetzgebung des Bundes und gegebenenfalls von großen Planungsvorhaben (Kulturverträglichkeitsprüfung).” Das heißt auch hier wurde formuliert, dass Gesetze auf die Auswirkungen auf den Kulturbereich geprüft werden sollen. Die Formulierung ist allerdings weicher als die Fassung im Vertrag von Amsterdam.
Die erste Bewährungsprobe der Kulturverträglichkeitsprüfung war die geplante Abschaffung der Spendenabzugsfähigkeit von Körperschaften. Wenige Tage nachdem der Koalitionsvertrag unterzeichnet war, wurde am 17.10.2002 in der Tageszeitung „Die Welt” eine Streichliste aus dem Finanzministerium veröffentlicht, der zu entnehmen war, dass die Spendenabzugsfähigkeiten für Körperschaften nach § 9 KGSt abgeschafft werden soll. Weiter war in der Liste die Streichung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Kunst- und Sammlungsgegenstände aufgeführt.

Die Pläne, die Spendenabzugsfähigkeit für Körperschaften abzuschaffen, standen in krassem Widerspruch zu den Aussagen der Regierungskoalition in der letzten Legislaturperiode. Wurde seiner Zeit noch die Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements – gerade auch von Unternehmen – eingefordert, sollte nun aufgrund von Haushaltsnöten die Spendenbereitschaft empfindlich getroffen werden. Sehr viele große und kleine Projekte aus dem gesamten Kulturbereich wären existentiell betroffen gewesen, wären die Pläne des Finanzministeriums umgesetzt worden. Der Deutsche Kulturrat sowie zahlreiche andere Verbände haben in einer öffentlichen Kampagne dazu aufgerufen, dass die Pläne des Finanzminister der Kulturverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Dank eines Machtwortes des Kanzlers wurden schließlich die Pläne fallengelassen. Die erste wichtige Bewährungsprobe der Kulturverträglichkeitsprüfung ging positiv aus.

Auch mit Blick auf die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für die Bildende Kunst konnte sich der Finanzminister nicht durchsetzen. Damit gilt nach wie vor für den größten Teil der Kulturgüter – CD und CD-Rom ausgenommen – der ermäßigte Mehrwertsteuersatz.

Die beiden genannten steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung zeigen, dass in dieser Legislaturperiode Gesetzesvorhaben der unterschiedlichen Politikfelder mit Argusaugen geprüft werden müssen. Kultur genießt keinen Sonderstatus mehr. Kultur verheißt offensichtlich keine Reformstimmung mehr. Diese Position kann auf der einen Seite als ein Stück Normalität im politischen Alltag gewertet werden, auf der anderen Seite bedeutet es für den Deutschen Kulturrat sich klar und eindeutig zu positionieren und für den Erhalt sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur einzusetzen.

Dies gilt sowohl für Politikfelder, die eher kulturfern erscheinen als auch für solche, die originär dem Kulturbereich zu zuordnen sind. Mit der anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes sowie der Novelle des Deutsche-Welle-Gesetzes stehen zwei Reformvorhaben auf der Agenda.

Kulturpolitik darf sich in dieser Legislaturperiode aber nicht darin erschöpfen, dass die Vorhaben umgesetzt werden, die turnusgemäß auf der Agenda stehen wie die genannten Novellierungen aus dem Medienbereich, das Finanzierungsabkommen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Hauptstadtkulturvertrag. Kulturpolitik muss gestalten, dazu gehört, weitere Impulse zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu geben.

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