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Uraufführungen 2011/11

Untertitel
Parallelkulturen
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Der Begriff „Parallelgesellschaften“ fällt gemeinhin in Verbindung mit Klagen über Ausgrenzung und mangelnde Integration von Migranten. Zumeist im Plural gebraucht, setzt er voraus, dass es als verbindlicher Maßstab die eine, einheitliche und unteilbare Gesellschaft gäbe. Doch hierzulande und andernorts lehrt die soziale Wirklichkeit, dass es sich bei Ideen einer homogenen Gesellschaft nur um Fiktionen derer handeln kann, denen Scheuklappen den Blick nach links und rechts verblenden.

 

Denn immer schon haben sich verschiedenste Gesellschaftstypen, oligarchische, klerikale und feudale ebenso wie bürgerliche, industrielle, sozialistische, kapitalistische oder demokratische, in einen Teil derjenigen ausdifferenziert, die besitzen, und derer, die besessen werden, die arbeiten und arbeiten lassen, die bestimmen und bestimmt werden, die gleich und gleicher sind, die wählen und gewählt werden. Und schon früher hatte dies zur Folge, dass bestimmte Zirkel einer Kommunität so weit auseinanderklafften, dass sie alle Schnittmengen miteinander verloren. Ein Echo fanden diese religiösen, politischen, ökonomischen und ideologischen Gesellschaftsstrukturen stets auch in der Musik der jeweiligen Epoche und Kultur. Die Neue Musik macht spätestens seit den 1960er-Jahren vor, dass unterschiedlichste Parallelentwicklungen nicht normativ gegeneinander ausgespielt oder in Hoch- und Subkultur segregiert werden müssen, sondern hierarchiefrei auf gleicher Ebene in ihrer spezifischen Eigenart Geltung beanspruchen können. Längst ist „Die Szene der neuen Musik“ in zahllose Untersparten sowie nationale, regionale und lokale Klein- und Kleinstzirkel zersplittert bis hin zu Privatästhetiken einzelner Komponisten, Ensembles und Veranstalter mit je eigenen Festivals, Spielstätten und häufig separierten Publikumskreisen. Diese hoch spezialisierte und extrem vielstimmige Kleinteiligkeit erschwert die Breitenrezeption der neuen Musik. Und die Gleichwertigkeit der heterogenen Positionen ist mit deren Gleichgültigkeit erkauft, die den Stellenwert der Einzelleistungen nivelliert und keinen wirklichen Diskurs aufkommen lässt. Oder kommunizieren die folgenden Uraufführungen doch auf insgeheimen Kanälen?

Am 9. November erklingt in der Alten Oper Frankfurt erstmals Hans Zenders „komponierte Interpretation“ von Beethovens „Diabelli-Variationen“ mit dem paraphrasierenden Titel „33 Veränderungen über 33 Veränderungen“.

Am 11. November haben bei der Neuen Musik in Delmenhorst Hans-Joachim Hespos’ „IPS-anstösse für big band“ Premiere.

Am 12. November folgt im Frankfurter Dom die Uraufführung von Gerhard Müller-Hornbachs Kammerkantate „Die heilige Cäcilia oder die Gewalt der Musik“.

Am 16. November bietet die Reihe „Zentrum LIED“ im Belgischen Haus Köln die Uraufführung von Manfred Trojahns Zyklus „abendröte“ auf Texte von Friedrich Schlegel.

Und am 23. und 24. November sind im Kubus des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe von Bojidar Spassov und Martin Iddon neue Werke für Instrument, Elektronik und Video zu erleben. Immerhin bringt jede dieser Stimmen der neuen Musik die Polyphonie unserer Gesellschaft zum Klingen.

Weitere Uraufführungen:

11./13.11.: Brice Pauset, zwei neue Werke, Musiktage Weingarten

17.11.: Moritz Eggert, Puls für großes Orchester, Gasteig München

18.11.: Andrea Lorenzo Scartazzini, Viaggiatori für Chor und Orchester, Müns­ter Basel

bis 25.11.: Gary Berger, Arturo Fuentes, Clemens Gadenstätter, Johannes Maria Staud, Hannes Dudek, Wolfgang Mitterer, Francis Burt, Emily Howard, Gerd Kühr, neue Werke, Wien Modern

26.11.: Miroslav Srnka, Moves für großes Orchester, Biennale für Moderne Musik Frankfurt

27.11.: Jörg Birkenkötter, Widerschein für Kammerensemble, Ensembl[:E:]uropa im WDR-Funkhaus Köln

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