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Die Kommunen müssen sparen, und die Bürger leiden

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Trotz Sparkurs steigen die Defizite in Deutschlands Städten - der Ausblick auf 2002 ist finster.

Hamburg - Wo immer dieser Tage Deutschlands Bürgermeister den Deckel ihrer Finanztruhen heben - heraus flattern keine Geldscheine sondern bestenfalls Pleitegeier. Die Finanzlage der Kommunen, schlug jüngst der Deutsche Städtetag Alarm, sei "katastrophal". Das Defizit der Stadthaushalte kletterte trotz emsigen Sparens im Jahr 2001 auf 2,9 Milliarden Euro, klagte Städtetags-Vizepräsidentin Petra Roth. Und das Jahr 2002 werde noch schlimmer. Erwartetes Haushaltsloch insgesamt: 4,4 Milliarden Euro.
Die Schuld an der Misere macht Frankfurts Oberbürgermeisterin Roth am Einbruch der Gewerbesteuer - mancherorts bis zu 70 Prozent - und der Steuerreform fest. Die erlaube es den großen Unternehmen, oft so gut wie keine Steuern mehr zu zahlen. Dieser "Teufelskreis aus wachsenden Aufgaben, sinkenden Einnahmen und steigenden Defiziten" (Roth) fällt nun auf die Bürger zurück. Denn die fatale Kassenlage zwingt viele Städte zu radikalen Einschnitten bei der Infrakstruktur und zum Verkauf von "Tafelsilber", also stadteigenen Betrieben. Einige Beispiele:
Delmenhorst: Die Sanierung der Innenstadt wird verschoben, Beiträge für Kindertagesstätten werden um zehn Prozent erhöht, Jugendprojekte stehen auf der Kippe, Computer für Grundschüler sind gestrichen. Oberbürgermeisterin Swantje Hartmann kämpft dieses Jahr gegen ein Zwei-Millionen-Euro-Loch.
Oldenburg: Das Defizit von 72,8 Millionen Euro zwingt zu Einstellungsstopp und Haushaltssperre. Eine Stadtteilbibliothek, eine Realschule und ein Jugendtreff stehen vor dem Aus.

Kindergärten werden teurer, Schulen müssen schließen, Straßen verfallen.

Braunschweig: Eine lange geplante Kunsthalle wird nicht gebaut. Entlastung für die Kasse der Stadt: 669 732 Euro. Ein Freizeit- und Bildungszentrum wird dichtgemacht. 452 556 Euro gespart. Die Bürger müssen auch auf eine Bücherei und eine Abteilung der Musikschule verzichten.
Cottbus: Zwei Drittel der Straßen in der ostdeutschen Kommune sind marode, müssten für 2,43 Millionen Euro jährlich saniert werden. Doch dafür fehlt das Geld. So verfallen die Straßen weiter und treiben die künftigen Kosten in die Höhe.
Gelsenkirchen: Mit dem Verkauf von Aktienanteilen an Unternehmen will die Stadt den Fehlbetrag von 141 Millionen Euro ausgleichen. Das Projekt "Ruhrkinderchor" wird eingestellt, die Caritas-Erziehungsberatungsstelle wird nicht weiter gefördert.
Ludwigshafen: Die Stadt mit dem höchsten Gewerbesteuer-Einbruch. Minus 68,5 Prozent. Folge: Ein Hallenbad wurde geschlossen, der Bücherbus fährt nicht mehr, Vereine müssen auf Zuschüsse verzichten.
Wuppertal: Fünf Grundschulen sollen geschlossen werden, die Stadtverwaltung muss mit weniger Personal auskommen, und die städtischen Straßen werden künftig durch private Hand erhellt werden.
Acht Beispiele dafür, wie sich die Finanznotlage der mehr als 14 300 deutschen Städte und Gemeinden auf die Bürger auswirkt. Und Besserung ist nicht in Sicht. Denn auch im Jahr 2002 wird das muntere Streichen kommunaler Angebote weitergehen, prophezeit der Städtetag.
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