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Eine junge Frau mit eher kürzeren schwarzen Haaren hält sich niedergeschlagen den Kopf.

Studierende können während ihres Studiums in psychische Krisen geraten. Um ihre Resilienz und Selbstfürsorge zu stärken, haben die Musikhochschulen Freiburg und Mannheim eine großangelegte Studie initiiert. Sie untersucht zunächst, wie es um die psychische Studierendengesundheit und institutionelle Schutzkonzepte an Musik- und Kunsthochschulen steht. Foto: Ramon Manuel Schneeweiß

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Resilienz als Leitplanke

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MHS Freiburg und Mannheim setzen in Schutzkonzepten neue Schwerpunkte
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„Wenn wir eines aus der Corona-Pandemie gelernt haben, dann war es, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit transparenter Kommunikation und mit Bedacht im Sinne der uns Anvertrauten zu handeln. Das hat uns geholfen, die Krise erfolgreich zu bewältigen, bei gleichzeitig großer hausinterner Akzeptanz“, sagt Ludwig Holtmeier, Rektor der Hochschule für Musik Freiburg. Dieser Weg soll nun auch im Umgang mit einem schwierigen Thema eingeschlagen werden, welches die Universitäten im Allgemeinen und die Musik- beziehungsweise Kunsthochschulen derzeit im Besonderen beschäftigt: Es geht um die Frage, wie Studierende sich künstlerisch und menschlich unter optimalen Bedingungen entwickeln können, wie sie geschützt werden können und was die jeweilige Institution aktiv dafür tun kann.

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„Studierende sind während ihres Studiums mit großen Herausforderungen und Belastungen konfrontiert, die auch zu psychischen Krisen oder sogar psychischen Erkrankungen führen können. Wir beobachten hier in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme der Anfälligkeit und sehen akuten Handlungsbedarf. Das bestätigen auch viele internationale Studien“, sagt Claudia Spahn, Leiterin des „Freiburger Instituts für Musikermedizin“ (FIM). Am FIM will man nun verstärkt darauf setzen, die Ressourcen der eigenen Studierenden zu stärken und sie zu Durchsetzungsfähigkeit und Selbstfürsorge zu ermächtigen. Die Schlüsselbegriffe hierfür lauten Resilienz und Empowerment.

An der Hochschule für Musik Freiburg gibt es mit ihrer starken musikpädagogischen Tradition und dem Landeszentrum „Freiburger Forschungs- und Lehrzentrum Musik“ eine breit aufgestellte wissenschaftliche Kompetenz, um sich diesen Themen widmen zu können. Bereits seit Jahren untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des von der Universität Freiburg und der Hochschule für Musik Freiburg ausgerichteten FIM die Gesundheit der Studierenden im Verlauf des Studiums, in den Jahren 2016 bis 2021 etwa im Rahmen einer von der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ (DFG) geförderten Multicenter-Studie unter Beteiligung der Musikhochschulen Frankfurt, Leipzig, Lübeck und München. An all diesen Musikhochschulen war im ersten Studienjahr des Bachelorstudiums ein sehr deutlicher Anstieg psychischer Belastungen bei den Studierenden zu verzeichnen, der sich in Überforderung, sozialem Rückzug und depressiver Stimmung äußerte. Dies betraf immerhin etwa ein Viertel der Studierenden in den ersten beiden Semestern.

In Reaktion auf diese Ergebnisse legte in Freiburg das FIM zusammen mit der „AOK Südlicher Oberrhein“ im Oktober 2024 das Projekt „Musik und Resilienz“ auf. Musik- und Medizinstudierende werden hier gemeinsam in einem zweitägigen Workshop von einem interdisziplinären Team aus Musikerinnen und Musikern sowie Therapeutinnen und Therapeuten (Medizin und Psychologie) zu Multiplikatorinnen beziehungsweise Multiplikatoren für Gesundheit geschult und stellen sich anderen Musikstudierenden als Gesprächspartnerinnen und -partner zur Verfügung. Das Peer-to-Peer-Angebot soll Schwellen abbauen, miteinander ins Gespräch zu kommen und früh gegenseitige Unterstützung fördern. Dies gilt insbesondere auch für internationale Studierende, die an Musikhochschulen einen hohen Prozentsatz ausmachen. Je nach Herkunftskultur sind diese Studierenden oft eher sozial isoliert und deshalb besonders gefährdet. Kommen die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren nicht alleine weiter, erhalten sie therapeutische Rückendeckung durch die Ausbilderinnen oder Ausbilder und können an die musikermedizinische Ambulanz des FIM verweisen. „Dass das Schutzkonzept unserer Hochschule neben dem Schutz vor sexueller Belästigung, sexualisierter Gewalt und Diskriminierung nun auch das Thema der Resilienz und der psychischen Belastung in den Blick nimmt, halte ich für dringend geboten. Das Projekt ‚Musik und Resilienz‘ scheint mir ein guter Weg zu sein, die Fürsorgepflicht der Hochschulen gegenüber ihren Studierenden zu wahren“, sagt Regina Kabis-Elsner, Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule für Musik Freiburg.

Als nächsten Schritt richten die Hochschule für Musik Freiburg und die „Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim“ in einem großangelegten Projekt gemeinsam eine vom FIM federführend betreute Studie aus, um die umfangreiche Resilienzforschung an Universitäten durch eine spezialisierte Studie zur psychischen Studierendengesundheit und institutionellen Schutzkonzepten an Musik- beziehungsweise Kunsthochschulen zu erweitern. „Das Thema beschäftigt und beunruhigt auch uns sehr“, sagt der Präsident der Mannheimer Musikhochschule Rudolf Meister. „Wir freuen uns, dass wir hier die Expertise des FIM in Anspruch nehmen und so die Forschung zu diesem Thema voranbringen können.“ Neben den Musikhochschulen in Freiburg und Mannheim sind auch weitere deutsche, schweizerische und französische Hochschulen involviert.

Alexandre Jung, Directeur der „Académie supérieure de Musique“ in Straßburg, war von der Idee sofort überzeugt: „Auch in Frankreich wird das Thema derzeit stark diskutiert. Ich habe mich deshalb sehr über die Anfrage aus Mannheim und Freiburg gefreut. Die Studie kann uns vielleicht auch vergleichende Erkenntnisse über unterschiedliche kulturelle Voraussetzungen beziehungsweise über die Wirkung unterschiedlicher nationaler Schutzkonzepte vermitteln.“ Auch Valentin Gloor, Direktor der Musikabteilung der Hochschule Luzern, äußert sich zustimmend: „Bereits in den vergangenen Jahren haben wir an der ‚Hochschule Luzern – Musik‘ Daten zur Gesundheit unserer Studierenden erhoben und an einer Systematik für das Empowerment der Studierenden gearbeitet. Die Beteiligung an einer breiten Studie zur psychischen Gesundheit von Musikstudierenden in mehreren Ländern – und dies im Rahmen unserer langjährigen Partnerschaft mit der Hochschule für Musik Freiburg – bietet eine vielversprechende Perspektive, unsere Bemühungen einen großen Schritt voranzubringen“. Das FIM entwickelt derzeit das Design der Studie, das dann mit allen beteiligten Akteuren abgestimmt und anschließend der Ethikkommission des Universitätsklinikums Freiburg vorgelegt wird. Die Befragung an den Hochschulen ist mit Beginn des Wintersemesters 2025/2026 geplant.

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