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Komponisten zum Anfassen

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Die music academy Donaueschingen gab den Multiplikatoren neue Impulse
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Zeitgenössische Musik ist nach wie vor sicher für viele ein „Spezialfall“, sei es für das Publikum, sei es für die Interpreten. Die Donaueschinger Musiktage setzen offensiv dagegen – und das seit über neunzig Jahren. Inzwischen spielt auch die Fortbildung eine immer wichtigere Rolle im Gesamtkonzept des Fes­tivals. maD – das sind drei griffige Buchstaben für ein Programm im Rahmen der Donaueschinger Musiktage, das nun zum dritten Mal aufgelegt wurde. maD, die „music academy Donaueschingen“ bündelt zwei bereits bestehende, unterschiedlich ausgerichtete Projekte: zum einen „next generation“, das sich an Studierende als Zielgruppe wendet und in Kooperation mit den Hochschulen für Musik in Trossingen und in Frankfurt/Main durchgeführt wird. Zum anderen die Fortbildung „Musik aktuell“ der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen, die sich an Pädagogen an Musik- und weiterführenden Schulen richtet, sich also um die Weiterbildung von Multiplikatoren kümmert.

Gemeinsam wurden unter dem Dach von „maD“ auch in diesem Jahr wieder neue Wege beschritten, zeitgenössische Musik sowohl in den Lern- als auch Lehr-Alltag intensiv einzubringen. Rund 180 Teilnehmer waren mit dabei, darunter Kompositionsstudierende aus ganz Europa – eben die „next generation“ –, die im Rahmen zweier „Off-Konzerte“ ein Forum bekamen zur Aufführung von Werken aus eigener Feder, über die angeregt diskutiert wurde. Seminare mit längst arrivierten Komponisten wie etwa Walter Zimmermann weiteten den Blick auf das künstlerische Handwerk ebenso wie der live vom Hörfunk übertragene Talk „Førdern – Neue Musik (an)stiften“. Anregung, Austausch, aber auch gegenseitiges Kennenlernen standen hier also im Mittelpunkt. Wertvoll waren sicherlich auch die persönlichen Begegnungen mit Enno Poppe und Georges Aperghis: zwei Komponisten aus zwei unterschiedlichen Generationen, beide „zum Anfassen“.

In der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen hatten sich Interessierte eingefunden, die teilweise über langjährige pädagogische Praxis verfügen und Neue Musik in ihr „ganz gewöhnliches“ Curriculum an Schule oder Musikschule bereits einfließen lassen oder sie neu integrieren möchten. Das ist längst nicht der „Normalfall“, gleichwohl gibt es gut funktionierende, schon sehr lange und sehr erfolgreich arbeitende „Vorzeigeprojekte“. Etwa das der AG Neue Musik am Leininger-Gymnasium Grünstadt in Rheinland-Pfalz. Bereits seit vierzig Jahren bietet sie den Schülerinnen und Schülern die Chance, hautnah mit Neuer Musik in Berührung zu kommen. Fast die Hälfte dieser Zeit engagiert sich Silke Egeler-Wittmann in dieser AG und brachte das jüngste Projekt „Flowers of Carnage“ mit nach Trossingen – ein Auftragswerk von Annesley Black. Ihr, der 1979 in Ottawa geborenen und auch während des gesamten Festivals anwesenden und ansprechbaren Komponistin, ist die jüngste CD-Produktion in der „Edition Zeitgenössische Musik“ des Deutschen Musikrates gewidmet, der als Kooperationspartner die „maD“ mitträgt. Für Egeler-Wittmann und die etwa zwanzig AG-Mitglieder im Alter von 12 bis 18 Jahren bildete Blacks „Flowers of Carnage“ die Ausgangsbasis für die monatelange AG-Arbeit vor Ort in Grünstadt. Das Ergebnis, sprich: die Uraufführung nun also jetzt im Rahmen des Festival-Programms.

Ganz außergewöhnlich dann die Begegnung mit einem zweiten, von Bernhard Rißmann konzipierten Projekt, das dank der Unterstützung des „Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg“ verwirklicht werden konnte. Zielgruppe hier: Schüler der 3. Klasse der Friedensschule Trossingen. Acht- und Neunjährige und zeitgenössische Musik – geht das? Es geht! Wenn man die Möglichkeiten der Kinder gut einschätzt, auf ihre ungezügelte Fantasie vertraut, ihren reichlich vorhandenen Bewegungsdrang nutzt. Wieder lieferte eine Komposition von Annesley Black („Smooche de la Rooche II“) die Inspirationsquelle für eine Performance, mit der die 23 Grundschüler eine lebendig nachvollziehbare Geschichte erzählten – nur mit Tönen, Klängen, Bewegungen. Alltagsgeräusche waren da zu hören, Naturklänge, vertraute Musik aus der Lebenswelt der Kinder. Dies alles mit einem Instrumentarium, das sich die kleinen Künstler zum großen Teil selbst ausgesucht hatten.

Beide Projekte, das Grünstädter wie das Trossinger, waren in der Seminararbeit an der Bundesakademie Ausgangspunkt substanzieller Gespräche und ertragreiche Reflexion, gerade auch für die Gruppe von Lehramts-Studierenden, die mit Unterstützung des „Netzwerkes Neue Musik Baden-Württemberg“ zur Teilnahme eingeladen waren: eine gute Gelegenheit, schon während des Studiums aus der Praxis heraus geborenen und handlungsorientierten Modellen zu begegnen und sich mit „gestandenen“ Lehrkräften über deren Erfahrungen austauschen zu können.

Noch während der laufenden Musiktage in Donaueschingen wurde bekannt, dass zukünftig ein eigenständiges Festival zur Nachwuchsförderung installiert wird: „Upgrade – Neue Musikvermittlung“ soll der „kleine Bruder“ des „großen“ Festivals heißen. Interessierte aus ganz Europa sind ins Zentrum der Neuen Musik eingeladen – eine gute Idee für ein junges Publikum!

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