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Richtungsweisende Bedeutung

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Kommentar I zur Studie der Initiative „Bildung der Persönlichkeit“ · Von Hermann Wilske
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Ohne jeden Zweifel gehört die gemeinhin auch Konrad-Adenauer-Studie genannte Schrift zur Neuorientierung des Musikunterrichts zu den bedeutendsten Untersuchungen der letzten Jahrzehnte überhaupt. Sie setzt viele Schwerpunkte grade in solchen Feldern, welche die Musikpädagogik in der Bundesrepublik Deutschland schon lange geräumt hat. Der ästhetische Wert der Musik sei ins Zentrum der musikalischen Bildung zu rücken, ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein hinsichtlich Komposition, Interpretation und technischer Ausführung von Musik zu entwickeln. Subjektives Musikempfinden und individueller Geschmack stünden objektiver Analyse und sachlich begründeter Orientierung in der musikalischen Vielfalt gegenüber.

Als wünschenswerte Rahmenbedingungen werden in der vorliegenden Studie zuweilen Forderungen erhoben, die selbst die Musikpädagogischen Verbände schon verschämt suspendiert haben – etwa die des zweistündigen Pflichtfachs in allen Jahrgangsstufen. Bedenkenswert sind auch die Vorbehalte gegen die kurzatmige Förderung einzelner „Showprojekte“ an Schulen: In der Tat nämlich ist dem oft voraussetzungslosen Unterricht in der Schule vielfach eine AG-Situation an die Seite getreten, in der die notwendige Nachhaltigkeit für Stimmbildung in Chören oder Klangkultur der Orchester nicht länger gegeben ist.

Als Konsequenz dieser Situation ist eine deutliche Verminderung des klassischen Repertoires zu beobachten, während die gleichzeitige Zunahme von Ad-hoc-Produktionen im Pop- oder Musicalbereich keinesfalls nur Schülervorlieben reflektieren, sondern zugleich Spiegel all dessen geworden sind, was im Rahmen schulischer Möglichkeiten noch realisiert werden kann.

Es tut der richtungsweisenden Bedeutung der Studie keinen Abbruch, wenn die Zusammenfassung musikpädagogischer Konzepte im 20. Jahrhundert mehr als lückenhaft ausgefallen ist. Gleiches gilt für den Kanon verpflichtender Musikwerke, der im Anhang aufgeführt ist – insbesondere im Bereich der Popularmusik wären obligatorische Unterrichtsinhalte sinnvoll gewesen, die den ambitionierten Zielvorgaben der Studie weitaus besser entsprochen hätten als ein Kompendium von überwiegend kommerziell geprägter Rockmusik. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist vielmehr die Formulierung eines Kanons an sich, ganz im Sinne jener bedenkenswerten Kritik an den in jüngster Zeit formulierten Lehrplänen und Bildungsstandards („zu wenig konkrete Formulierungen und inhaltlich zu große Freiheit; das führt schnell zu Beliebigkeit und ‚Gleich-Gültigkeit‘“).
In ihrer Gesamtheit ist die Studie nichts Geringeres als eine Steilvorlage und Diskussionsgrundlage überall dort, wo an Perspektiven zur Verbesserung des Musikunterrichts gearbeitet wird – auch und gerade für Verbandsvertreter im Diskurs mit dem zuständigen Ministerium.

Exemplarisch sei abschließend das Singen herausgegriffen, dem in der Studie wieder eine deutliche Präferenz eingeräumt wird. Mehr als je zuvor ist Eltern und Bildungsplanern in jüngster Zeit offenbar schmerzlich bewusst geworden, was man durch den Verlust des gemeinsamen Singens verloren hat. Diese Studie ist ein Glücksfall für den nötigen Aufbruch in der Schulmusik. Die aus ihr resultierenden Möglichkeiten sollten nicht verpasst werden.

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