Hauptbild
Stacheldraht und Sonnenuntergang
Russischer Theatermacher vor Gericht - Serebrennikows Prozess beginnt. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Russischer Theatermacher vor Gericht - Serebrennikows Prozess beginnt [update, 17.10.]

Autor
Publikationsdatum
Body

Moskau - Nach mehr als einem Jahr im abgeschotteten Hausarrest wird dem russischen Starregisseur Kirill Serebrennikow und seinen Mitarbeitern der Prozess gemacht. Der erste Prozesstag in Moskau soll am Mittwoch hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die russische Justiz wirft dem Theatermacher vor, staatliche Fördergelder veruntreut zu haben.

Trotz der verzweifelten Lage habe er aber noch immer Hoffnung, das Gericht von der Unschuld seines in Russland und im Westen gefeierten Mandanten überzeugen zu können, sagt sein Anwalt Dmitri Charitonow. «Es gab kein Verbrechen, keinen Diebstahl, keinen Verstoß», sagt der Jurist dem kritischen Radiosender Echo Moskwy vor Prozessbeginn. «Wir haben keinen Zweifel daran, das auch stichhaltig belegen zu können.» Seinen Angaben zufolge wird bei der ersten Anhörung entschieden, welche Beweise im Prozess zugelassen werden. Ob Serebrennikow endlich seine Wohnung langfristig verlassen darf, ist ebenfalls offen.

Die Anklage will seit einem Jahr beweisen, dass Serebrennikow gemeinsam mit drei Mitarbeitern seines Produktionsteam mehr als 133 Millionen Rubel (etwa 2 Millionen Euro) unterschlagen hat. Dem Kulturministerium soll so ein beträchtlicher Schaden entstanden sein. Eine schwere Anschuldigung, die eigentlich einfach zu widerlegen sei, sagt Charitonow. Denn aus seiner Sicht ist klar belegt, wo das Fördergeld eingesetzt wurde. Doch warum ist der Fall so brisant?

Kritiker nennen das Vorgehen gegen den 49 Jahre alten Serebrennikow, der das renommierte Gogol-Zentrum in Moskau leitet, eine Zäsur in der russischen Kulturszene. Viele sehen in der Festnahme, dem restriktiven Hausarrest und dem bevorstehenden Prozess eine Zermürbungstaktik der Staatsmacht, die unbequeme Künstler einschüchtern oder gleich mundtot machen will. Immer wieder seien Beweise der Verteidigung abgelehnt worden, die Ermittler seien nicht objektiv und würden lediglich Anweisungen von oben befolgen, sagte Serebrennikow bei einem Gerichtstermin im Sommer.

Der Kreml und Kulturminister Wladimir Medinski haben wiederholt verneint, dass es irgendeine Verbindung zur Politik gebe. «Serebrennikow wurde immer von den Behörden verwöhnt und hat keinen Grund sich zu beschweren», sagte Medinski. Serebrennikow ist dafür bekannt, mit seinen Werken zu provozieren und auch Tabuthemen anzusprechen. Gleichzeitig wagte er sich an der Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium und nahm Fördergelder an - das wurde ihm zum Verhängnis.

Seit einem Jahr sitzt Serebrennikow in seiner Wohnung im Moskauer Stadtzentrum. Ein kleiner Balkon, ein kurzer Spaziergang pro Tag, das seien die Lichtblicke in seinem jetzigen Leben, sagt sein Anwalt. Internet darf er nicht nutzen und der Kontakt mit Kollegen ist ihm strengstens untersagt. Vom Weltgeschehen oder internationalen Solidaritätsaktionen erfahre er nur über seinen Anwalt. «Natürlich ist die Situation wahnsinnig schwer für Kirill. Er ist seiner Freiheit beraubt und der Möglichkeit, normal zu arbeiten.»

Dennoch habe Serebrennikow seine Kreativität nicht verloren, sagt Charitonow. «Er hat noch immer Witz und Ironie.»

 

[update]

Serebrennikows erste Anhörung endet mit Rückschlag
Claudia Thaler, dpa

Moskau - Der russische Starregisseur Kirill Serebrennikow muss sich auf einen langen Strafprozess wegen angeblicher Unterschlagung einstellen. Bereits am kommenden Donnerstag (25. Oktober) ist die erste öffentliche Anhörung angesetzt, teilte eine Gerichtssprecherin am Mittwoch in Moskau mit.

Serebrennikow und sein Verteidiger hatten gehofft, dass ein langer Prozess vom Moskauer Stadtbezirksgericht in der ersten Anhörung wegen fehlender Beweise abgelehnt wird. Doch das Gericht machte da nicht mit. Dies war jedoch nur der erste Rückschlag für den international gefeierten Theatermacher, der seit mehr als einem Jahr wegen der umstrittenen Vorwürfe im Hausarrest sitzt.

Hintergrund sind umstrittene Anschuldigungen des russischen Kulturministeriums. Demnach soll Serebrennikow gemeinsam mit drei Mitarbeitern seiner Produktionsfirma «Siebtes Studio» Subventionen in Höhe von 133 Millionen Rubel (etwa 2 Millionen Euro) unterschlagen haben. Er soll die Zuwendungen für Stücke bekommen haben, die nie stattgefunden hätten, heißt es.

Lässig im schwarzen Mantel, mit Mütze und Sonnenbrille kam Serebrennikow zur Anhörung zum Gerichtsgebäude. Freunde begrüßten ihn an der Eingangstür, von dort an durfte ihn nur noch sein Anwalt Dmitri Charitonow begleiten. Die Anhörung fand hinter verschlossenen Türen statt. Erklärungen an die Journalisten waren tabu. Die Restriktionen, die ihm das Gericht bereits im vergangenen Sommer auferlegt hatten, sind scharf: Er darf sich nur mit dem Verteidiger austauschen, Internetzugang ist ihm verwehrt. Selbst der Kontakt zu Kollegen ist verboten, Treffen mit der Familie sind stark begrenzt.

Der Künstler, der das renommierte Gogol-Zentrum in Moskau leitet und dessen Stücke auch in Deutschland aufgeführt werden, bestreitet die Vorwürfe. Für ihn ist der Fall klar: Die Politik versuche, den unbequemen Regisseur einzuschüchtern und mit ihm ein Exempel zu statuieren. Kritiker sprechen davon, dass so die ganze kritische Kulturszene in Russland mundtot gemacht werden soll.

Nun soll Serebrennikow mindestens bis zum 3. April 2019 weiter im Hausarrest sitzen. Beobachter deuten die Entscheidung so, dass ein langer und mühsames Verfahren folgen soll.

Serebrennikows Anwalt sagte, er werde rund 400 Zeugen vorladen, die die Unschuld seines Mandaten belegen sollten. «Wir wollen alle Teilnehmer der Theaterprojekte ins Gericht bitten. Sie sollen bezeugen, dass die Vorstellungen stattgefunden haben», sagte Charitonow der Agentur Tass zufolge. Der Jurist hatte zuvor betont, dass Beweise der Verteidigung immer wieder aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt worden seien. Die Ermittler seien in ihrer Arbeit zudem nicht objektiv vorgegangen. 

Ort
Autor