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Sven Ferchow. Selfie
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Da bin i dahoam

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Ferchows Fenstersturz 2023/04
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Unverschämtheit! Das Bündnis „Solidarische Stadt Regensburg“ ruft die auftretenden Künstler zum Boykott der Schlossfestspiele 2023 in Regensburg auf. Weil Schirmherrin Fürstin Gloria von Thurn und Taxis offen zahlreiche radikale Ansichten vertrete. Ich bin außer mir, liebes Bündnis. Da bietet Majestät die Möglichkeit, quasi im Katar der Oberpfalz Meinungen ohne Whitewashing zu vertreten und muss sich dafür noch rechtfertigen? Dankbarkeit wäre angebracht. Kein Gender-Schnickschnack, keine kirchlichen Verfehlungen, keine neumodischen-demokratischen Tendenzen und: Diskriminierung welcome. Um die angeführten Entgleisungen grob zu skizzieren.

Bedeutet aber auch, liebes Bündnis: Hier wird sich noch um die Kunst gekümmert. So dürfen sich vor allem die Schwarzen Bandmitglieder der Funkband Earth, Wind & Fire auf eine bevorzugte Behandlung im Backstagebereich freuen. Schließlich weiß Ihre Durchlaucht, dass „der Schwarze gerne schnacksle“.

Wo also sonst Alaska geschöpftes Wasser für Beyoncé bereitsteht, dürfen sich Earth, Wind & Fire auf einen nahrhaften Fleischmarkt freuen. Übrigens, keine Angst, liebes Bündnis. Nur weil die Fürstin pädagogisch gut gemeinte Prügel empfiehlt („In meiner Jugend waren Schläge ein ganz normales pädagogisches Mittel, um mit frechen Kindern, wie ich eines war, fertig zu werden“), muss man nicht gleich zur Ächtung aufrufen. Auch hier wird sich gekümmert. Der Leib-Kardinal der Fürs­tin, Gerhard Ludwig Müller, hat die Aufführung des Hexen-Musicals Bibi Blocksberg sicher abgesegnet. Inklusive Verhaltenskodex: Mädchen in knielangem Rock und mit Zöpfen, Jungen mit Hemd, Pullunder und Spucke-fixiertem Seitenscheitel schicken, links-liberales Gewäsch daheimlassen.

Zu guter Letzt, liebes Bündnis. Einem Teil des Publikums, speziell ehrenamtlich und pädagogisch Wirkenden, darf man sogar gratulieren. Ihre Durchlaucht hält sie nämlich für potenziell pädophil. Schließlich sei der Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen „totaler Schmarrn“. Denn: „In jeder Schule, in jedem Sportverein gibt es dieses Phänomen und das wird es auch immer geben.“ Was für ein Ritterschlag. Volksnaher Adel eben. Jetzt aber ernst, liebes Bündnis, man muss da subtiler vorgehen. Mitmachen statt boykottieren.

Wie wäre es mit eigenen Künstler-Vorschlägen für 2024? Roger Waters (ex-Pink Floyd) wurde eben wegen „anhaltenden israelfeindlichen Auftretens“ aus der Frankfurter Festhalle geworfen. Auch Xavier Naidoo ließe sich gut unterbringen, deckt er doch fast die komplette Bandbreite an Verwirrtheit ab (antisemitische Schwurbeleien, Reichsbürger-Nähe, QAnon-Faseleien). Das Bild abrunden könnte Andreas Gabalier, der sich gerne mal weigert, die österreichische Nationalhymne gendergerecht zu singen. Wenn das nicht hilft: Sekundenkleber kaufen oder Steve Bannon fragen. Der war Berater bei Donald Trump. Und der ist für Majestät einer der wenigen Menschen, der „der Welt Klarheit gibt“. Alles klar. Ob Boykott da eine Lösung ist?

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