Als Argument, mit dem pauschal die Arbeit mehrerer Generationen von Musikphilologen, zum Beispiel tätig in zahlreichen Komponisten-Gesamtausgaben-Instituten, denunziert wird, wird die „musikalische Logik“ bemüht, die angeblich gegen den Befund der musikalischen Quellen steht. Dass in einem Klammersatz unsere Beethoven-Gesamtausgabe als Paradebeispiel „blinder“ Herausgeberschaft genannt wird, lässt mich zwar angesichts des ärmlichen Beitrags kalt, lässt mich gleichwohl – in Vertretung einer ganzen Zunft von Herausgebern und aller ernsthaften Musikverlage – zur Leserbrief-Tastatur greifen.
Die Tage der gegenseitigen Verhöhnung (Musiker versus Wissenschaftler) sind doch längst vorbei. Seriöse Musiker wollen Urtexte und keine Bearbeitungsausgaben, wollen fundierte Musiktexte, keine Schlüren’sche musikalische Logik. Dem Herrn Rezensenten ist im übrigen auch entgangen, dass der Henle Verlag unlängst sämtliche Streichquartette Haydns, im Urtext der Haydn-Gesamtausgabe, als Taschenpartitur und in Stimmen zum wohlfeilen Preis herausgebracht hat. Darin wird strikt den von Herrn Schlüren gescholtenen „philologischen Gegebenheiten“, also dem, was Haydn niederschrieb und verfügte, gefolgt. Ich kenne kein Streichquartett, und bis zu Ihrem Abdruck der genannten Rezension auch keinen seriösen Kritiker, der nicht den Wert und den Nutzen solcher Ausgaben gewürdigt hätte.
Wolf-Dieter Seiffert, Henle Verlag, München