Immer wieder wird man gefragt, was man denn als Musiker tagsüber so treibe. Und anstatt einer spontanen Mundwinkelentgleisung freien Lauf zu lassen, kann ich seit ein paar Wochen stolz behaupten: Ich kämpfe gegen Luft.
Immer dienstags bin ich in einem peinlich hippen Fitnessstudio, bekomme am ganzen Körper Elektroden angebracht und dann höre ich meinen Personalmuckimaster rufen: „Ziiieh!“ während sich 20.000 Volt durch die Muskelreste meines Keksbauches fressen und ich kaum die Arme bewegen kann. Und nun ging mir im Hirnmuskel ein Licht auf: Ich stehe nur jeweils 20 Minuten unter Strom, spare folglich 40 Minuten, weil das Joggen entfallen kann, muss dann allerdings zwei Stunden arbeiten, um die 20 Minuten zu bezahlen. Ein perfides System.
Während ich in den Konzerten der diesjährigen Donaueschinger Musiktage saß, fragte ich mich: Ist das System überall? Gibt es einen Zusammenhang zwischen meinen elektrischen Luftkämpfen und der musikalischen „Großform“, die heuer als Motto über dem Festival prangt?
Viele Stücke zeigten großformale Muckis und verdrängten dabei jede Menge Luft – und weil Energie nicht verloren geht, wird schon irgendwo irgendwas angekommen sein. Und ich imaginierte, wie mein Muckimaster – im übertragenen Sinne: ein Kurator – vor den Komponisten steht, die Bewegungen stromlos und daher federleicht ausführt und „Ziiieht!“ ruft, während die Komponisten don-quijotig gegen die Luft kämpfen. Wie sähe aber ein Stück aus, wenn man den Strom abstellte und gratis joggend im Wald die Muskeln wachsen ließe?