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Nachdenken über alternative Trägerschaften

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Offener Brief an den Intendanten des Südwestrundfunks, Peter Voß
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Mit Interesse, aber auch mit Sorge, hat der Landesmusikrat Baden-Württemberg von den Diskussionen um den Fortbestand der SWR-Ensembles Kennt-nis genommen. Wir bedauern zunächst, dass es in diesem Zusammenhang zu Vorwürfen gegen Ihre Person gekommen ist, die weder der Komplexität der Vorgänge gerecht geworden sind, geschweige denn im Ton immer angemessen waren. Um so mehr sieht sich der Landesmusikrat Baden-Württemberg in der Verantwortung, sich um einen differenzierten und konstruktiven Beitrag zu bemühen.

  1. Sie haben angelegentlich geäußert, ohne die Senderfusion wäre es nie zur Existenz zweier Rundfunkorchester gekommen. Zweifellos trifft das zu. Es wäre indes verhängnisvoll, den kulturellen Reichtum unseres Bundeslandes durch eine eventuelle Reduktion eines seiner Radio-Sinfonieorchester beschneiden zu wollen. Beide Orchester haben ihre eigene Tradition, ihre ureigene gewachsene Spielkultur. Möglich, dass – international gesehen – das Renommé des Stuttgarter Orchesters derzeit ein wenig überwiegt. Aber das war nicht immer so, und das muss auch so nicht bleiben – man denke nur an die Ära Hans Rosbaud, die dem Baden-Badener Orchester Weltgeltung verschaffte. Grundsätzlich gilt: Wir haben in Baden-Württemberg acht Musikakademien (andere Bundesländer wären froh, sie hätten wenigstens eine!), eine singuläre Laienmusikkultur, den Spitzenrang bei Preisträgern „Jugend musiziert“. Kurzum – die Existenz zweier Spitzenorchester stellt keinen Sonderfall dar, sondern spiegelt exakt den musikalischen Reichtum, mit dem dieses Bundesland im Südwesten der Republik gesegnet ist.
  2. Ähnlich verhält es sich mit dem SWR-Vokalensemble. Kein anderes Chorensemble weltweit, das auf eine derartige Vielzahl an Uraufführungen der Musica nova verweisen könnte. Wer diese, zumindest in Teilen, selbst miterlebt hat, weiß, dass eine Verminderung von 36 auf 24 in den wenigsten Fällen möglich ist. Es gehört überhaupt zu den unumstößlichen Realitäten von Spitzenkunst, dass sie Kompromisse kategorisch ausschließt.
    Das heißt jedoch nicht, dass ihre ökonomischen Voraussetzungen nicht hinterfragt werden müssten. Im Gegenteil – vieles in den genannten Ensembles vollzieht sich noch unter Rahmenbedingungen, die vielleicht in den 70er-Jahren angemessen waren. Es liegt in der Natur der Betroffenen, sich gegen den Verlust einmal erreichter Standards massiv zur Wehr zu setzen. Wäre nicht die Einsetzung einer Strukturkommission nahe liegend, welche all jene Privilegien vergangener Zeiten beseitigte, die heute das Fortbestehen des Gesamten gefährden? Der Landesmusikrat wäre bereit, sich personell zu beteiligen.
  3. Es geht also dem Landesmusikrat in erster Linie um die Bewahrung dessen, was das unverwechselbare musikalische Profil dieses Bundeslandes prägt. Es kostet nur einen Federstrich, ein hochqualifiziertes Ensemble aufzulösen – hingegen sind oft Jahrzehnte nötig, damit man jene Klangkultur wieder erreicht, um die man national und international – mit Recht – bewundert wird. Allein deshalb setzt der Landesmusikrat auf durchgreifende Strukturreformen. Erst die folgenden Jahre können nicht nur zeigen, ob selbige tragen, sie bieten auch hinreichend Zeit, über eventuelle alternative Trägerschaften nachzudenken. Wirft man nunmehr den Blick auf all das, was nicht die oben genannten Qualitätskategorien erfüllt, so wäre es nachgerade verheerend, nach dem Proporz der Bundesländer verfahren zu wollen. Dies mag ein bewährtes Mittel bei der Besetzung von Politikern der Bundesministerien sein. Letztere aber sind auswechselbar, Spitzenensembles sind es nicht. So möchten wir Ihnen abschließend alle Kraft für die Erhaltung dessen wünschen, was das kulturelle Gedächtnis Baden-Württembergs ausmacht.

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