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Schleimer sakral

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Neulich in einer ap-Meldung: „Bei einem Besuch mit seiner Gruppe U2 in Rio de Janeiro bezeichnete sich Bono als verdorbenen Rockstar. ,Ich bin überbezahlt, überernährt und zu gut angezogen.‘ Der Einsatz für Amnesty International und das Dritte-Welt-Projekt Jubilee 2000 rühre von einer Art katholischem Schuldgefühl her.“ Wie krank ist dieser Mann eigentlich?
Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, auf diesen Hallraum, diese schmachtende sakrale Euphorie, die gegen Ende des vergangenen Jahres immerhin schon wieder die ersten Ränge der Hitparaden belegte. Dieser altvertraute Sound, der mit den billigsten Mitteln der Studiotechnik das Gänsehauterlebnis des Stadionrocks hervorkitzelt. Sowohl die immer gleichen Guitarrero-Orgasmen von Edge als auch Bonos schmonzige Heulstimme füllen diesen Raum, machen sich breit wie eine mit weichem Glibber gefüllte Gasblase, die über den Köpfen der Hörer wabert – und immer wieder platzt, auf dass sich alle wie mit Ursuppe beschmiert fühlen. Das ist der Klang der großen Gesten, des Alle-in-den-Arm-nehmen-Wollens, des Welt-Verstehens und Daran-Leidens.

Neulich in einer ap-Meldung: „Bei einem Besuch mit seiner Gruppe U2 in Rio de Janeiro bezeichnete sich Bono als verdorbenen Rockstar. ,Ich bin überbezahlt, überernährt und zu gut angezogen.‘ Der Einsatz für Amnesty International und das Dritte-Welt-Projekt Jubilee 2000 rühre von einer Art katholischem Schuldgefühl her.“ Wie krank ist dieser Mann eigentlich?Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, auf diesen Hallraum, diese schmachtende sakrale Euphorie, die gegen Ende des vergangenen Jahres immerhin schon wieder die ersten Ränge der Hitparaden belegte. Dieser altvertraute Sound, der mit den billigsten Mitteln der Studiotechnik das Gänsehauterlebnis des Stadionrocks hervorkitzelt. Sowohl die immer gleichen Guitarrero-Orgasmen von Edge als auch Bonos schmonzige Heulstimme füllen diesen Raum, machen sich breit wie eine mit weichem Glibber gefüllte Gasblase, die über den Köpfen der Hörer wabert – und immer wieder platzt, auf dass sich alle wie mit Ursuppe beschmiert fühlen. Das ist der Klang der großen Gesten, des Alle-in-den-Arm-nehmen-Wollens, des Welt-Verstehens und Daran-Leidens. Seit 22 Jahren werkeln U2 an diesem schrecklich einfältigen „feeling“, und sie kommen immer wieder damit durch, haben alle Nachmacher ausgesessen. Eine Zeit lang konnte man darin eine normierte Rockmusik aus Irland hören, entworfen für die Charts, man denke nur an die Cranberries, die als Pendant mit weiblicher Stimme diesen katholischen Melancholikerkitsch mit ähnlichen Mitteln pflegten. Die sich bei Kritik jedes Mal auf das Elend des irischen Bürgerkriegsalltags beriefen, den auch sie aber einfach nur für ihre Gottesträne im Knopfloch ausbeuteten. Das entspricht genau Bonos Stil, nur hat er längst das Leid der ganzen Welt entdeckt und will am liebsten seinem Gott als Büßer an der Seite stehen. Das gesamte Text- und Klangdesign der neuen Platte strebt mal wieder dorthin: „Touch me, take me to that other place. Teach me, I know I’m not a hopeless case“ heißt‘s in „Beautiful Day“, der ersten Single und gleichzeitig dem Eröffnungsstück des Albums. „Higher than the sun, You shoot me from a gun, I need you to elevate me here“, geht es zwei Tracks später weiter – was für ein Blödsinnsreim im übrigen… ,Hm, was reimt sich denn auf sun…? Fun geht ja nicht, oh ja: gun!‘.

Und auf Reim passt Schleim, wer nicht aufpasst, wird besudelt, auch Brian Eno, der das neue Album co-produzierte. Vielleicht hat der aber auch „Geldschein“ gehört. Bono sichert sich da ja immer wieder präventiv ab, die eingangs zitierte Selbstbeschreibung steht da nur in einer Reihe mit überlieferten Geißelhieben wie „Arschloch mit Mercedes“. Das ist nicht nur besonders eklig, weil eine Beschimpfung danach tatsächlich weniger befriedigt, sondern vor allem, weil er damit natürlich nur seinen Status als glamouröses Sünderlamm unterstreicht. Und als solches darf er umso wahlloser gegen das Böse in der Welt herumkriechen. Lässt alle Adressen von Welfare-Organisationen, die er kriegen kann, im U2-Booklet abdrucken, schenkt dem Papst eine seiner doofen Sonnenbrillen, macht Diener vor Staatsoberhäuptern, schreibt Texte für irgendein „Buch der Psalmen“ (Zitat: „Meine erste Begegnung mit eingebungsvoller Musik“) und kitschige Short Stories über arme Seelen. Die dann verfilmt werden, natürlich von Wim Wenders.

Sicher, die Einzelposten dieser Aufzählung sind nicht per se verwerflich. Auch nicht Bonos Einsatz für den Schuldenerlass für die „Dritte Welt“. Es ist vielmehr die alles überrollende Gutmensch-Walze in Verbindung mit dem plumpen musikalischen Sendungsgestus, die die öffentliche Person, den Popstar Bono als aufdringlichen Kasper erscheinen lässt. Und am Ende stehen die dumm da, die tatsächlich ernsthaft und differenziert arbeiten, von „Amnesty International“ über die „Jubilee 2000 Coaltion“ bis „War Child“. Die Hitparaden können letztlich so einen wie Bono noch am ehesten verkraften. Auch wenn‘s nervt.

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