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Diffuser Leinwandzauber: Morton Feldmans „Neither“ in Gelsenkirchen. Foto: Pedro Malinowski
Diffuser Leinwandzauber: Morton Feldmans „Neither“ in Gelsenkirchen. Foto: Pedro Malinowski
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Anspruchsvoll sei das Werk, aber bitte mit Abstand

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Feldman, Monteverdi, Mozart: Drei Musiktheater-Premieren zum 50. Geburtstag des Musiktheaters im Revier
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Monteverdi, Mozart, Feldman – auf jedem Opernspielplan wäre solch ein Dreiklang Programm und Zierde. Am Musiktheater im Revier (MIR), das sein großes Haus damit nach längerer Umbaupause wiedereröffnet hat, ist es zugleich ein Versprechen: Das anspruchsvolle Werk alter und neuer Zeit soll hier eine Heimstatt haben. Nur, zu welchen Konditionen?

Ein Film läuft ab. Gesichter in Nahaufnahme. Durchs Bild huschen die Akteure der Compagnie Bernd Schindowskis, des langjährigen Ballettdirektors am MIR. Material wie nach dem Zufallsgenerator abgespult. „Postpostmodern“. Beliebig. Und doch: Die Position der Leinwand in der geometrischen Mitte des Kirchenschiffs von St. Georg, dem Ausweichquartier des MIR während der siebenmonatigen Umbauphase, ist zu prominent, als dass hier die pure Absichtslosigkeit walten würde. Die transparente Projektionsfläche fungiert als Raumteiler, als Abstandshalter. Auf der einen Seite das Publikum auf der anderen das Orchester. Letzteres im Begriff Morton Feldmans Genre-Unikum „Neither“, Oper in einem Akt für Sopran und Orchester nach einem Text Samuel Becketts, auszuführen – was Alexandra Lubschansky und der Neuen Philharmonie Westfalen unter der klaren Zeichengebung von Johannes Klumpp sehr gut gelingt. Nur, warum hat sie die Regie zum Fernorchester herabgestuft? Warum ist die orchestrale Hauptsache meilenweit entfernt vom Publikum; getrennt, gefiltert von einem diffusen Leinwandzauber? Vergleichbar das Geschehen vor der Pause, wo sich ein erster Teil dieses Jubiläumsabends mit dem anspielungsreichen Titel „Unsprechbares Zuhause“ als Monteverdi-Collage gibt: „Lamenti über Liebe und Tod“. Sechs MIR-Ensemblemitglieder errichten das „Lamento della Ninfa“ aus dem 8. Madrigalbuch, das „Lamento d’Ariana“ sowie Monteverdis „Combattimento di Tancredi e Clorinda“ als klingende Stelen. Nur, dass es schwer ist, die Aufmerksamkeit darauf gerichtet zu halten. Wieder gelingt es dem „Ballett Schindowski“, die Musik, Sänger und ein kleines Instrumentalensemble, zur Hintergrund- und Begleitmusik abzustempeln. Die Compagnie, aufgeteilt in dreifach kämpfende Tancredi-Clorinda-Paare, schiebt sich auch hier zwischen Publikum und Musiker: Monteverdi als Ballettmusiklieferant.

Schließlich der Höhepunkt dieses ambitionierten Wiedereröffnungsprogramms, das unter der Überschrift „Dreiklang“ tatsächlich eine schöne Alliteration der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am MIR Wirklichkeit werden lässt: Drei Opern, an zwei Spielstätten, an einem Tag – mit der „Zauberflöte“ als Dritter im Bunde. Zu den schönsten Begegnungen dieser verspielten, an Oberflächen dahinplätschernden Inszenierung, gerät dabei die Wiederbegegnung mit den Monteverdi-Solisten aus St. Georg. Nach intensivem Besuch in der Maske erscheinen diese auf der Bühne des Großen Hauses als Papagena (Afia Amalova), als Sprecher und Priester (Joachim G. Maas, William Saetre), als Monostatos (E. Mark Murphy), als zweite Dame (Noriko Ogawa-Yatake) – mit beeindruckender sängerischer und schauspielerischer Leistung. Ein Ensemble mit Bandbreite. Dass Regisseur Michiel Dijkema nun allerdings strengstes Augenzwinkern verordnet hat, um so gut wie alles in diesem ewigen Musik-Rätsel ins Buffo zu wenden – diese auf Wirkung von Comedy erfahrenen Zuschauern berechnete Inszenierung, kommt dem Ensemble, zumal im ersten Teil, ausgesprochen entgegen. Ein Tamino (Lars-Oliver Rühl), der von seinem Pamina-Bildnis fast erschlagen wird; ein Papageno (Piotr Prochera), dessen Ausflüge ins Publikum für besondere Heiterkeit sorgen und eine Königin der Nacht (Diana Petrova) im Fantasy-Look mit Spielzeug-Knarre. Höchst spiellaunig dabei die Drei Damen als verrückte Alte, nicht weniger Drei lustige Knaben als vom Schnürboden herabschwebende Zwerge mit Rauschebart. So gelsenkirchen-barockig spielt man Mozart nur am MIR. Wäre nicht Petra Schmidt mit ihrer ergreifenden Verzweiflungsarie der Pamina – diese MIR-Zauberflöte hätte gar keine Tiefe gehabt. Ganz und gar schuldlos daran: Rasmus Baumanns am Pult der (nicht immer sicheren, aber geschmeidig mitgehenden) Neuen Philharmonie Westfalen.

Gewiss. Für Stadttheatermaßstäbe war dies alles in allem ein exzeptioneller Abend. Zum 50-jährigen Jubiläum des im Dezember 1959 eröffneten MIR hat sich das Haus mit diesem Programm selbst in die Pflicht genommen. Hier, im Herzen Gelsenkirchens wird das anspruchsvolle Werk eine Heimstatt haben, wozu ein vergrößerter, akustisch überholter Zuschauerraum tatsächlich allerbeste Voraussetzungen bietet. Nur eben, dass besagte Darstellung des anspruchsvollen Werkes alter, klassischer, neuer Musik gegenwärtig (wenn überhaupt) nur mehr mit zeitgeisttributigen Einschränkungen möglich scheint: Monteverdi geht nur, wenn er (auch) vertanzt wird; Mozart nur, wenn er das Schenkelklopfen fördert und ein Morton Feldman braucht den Film und den (noli me tangere) berührungsfreien Abstand zwischen Publikum und Orchester. Sonst, so wohl die (gar nicht mehr so) geheime Befürchtung am MIR, ist diese (je auf ihre Weise) bedingungslos neue Musik nicht auszuhalten.

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