Auf diesen Tag hat das Beethoven Orchester Bonn lange gewartet: mit einer Akustikprobe begann die heiße Phase des Wiedereinzugs in die Beethovenhalle. Seit 2016 war Bonns gute Stube wegen einer Generalsanierung geschlossen, Dauer und Kosten des Vorhabens überschritten die lückenhaften Planungen bei weitem. Am Ende werden es neun Jahre und gut 220 Millionen Euro sein, die das Vorhaben gekostet hat. Dafür ist dann aber auch alles denkmalgerecht saniert, bis zur letzten Schraube. Doch das interessiert an diesem Tag kaum jemanden. Im Vordergrund steht der Saal selbst, vor allem die Akustik. Die war immer ein großer Kritikpunkt der Beethovenhalle.

Akustikprobe Beethovenhalle © Tilmann Böttcher: Das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Generalmusikdirektor Dirk Kaftan in der denkmalgerecht sanierten Beethovenhalle bei den ersten Akustikproben
Auf der Zielgeraden – Akustikproben in der Beethovenhalle gestartet
Nach einem Brand, der im Juli 1983 vor allem den Bereich der Bühne samt Rückwand in Mitleidenschaft gezogen hatte, war die Akustik deutlich verändert. Anstatt alles originalgetreu wieder herzurichten, sparte man bei den Details und baute unter anderem die hinter den Lamellen der Rückwand existierenden Resonanzräume einfach zu. Das Ergebnis war wenig befriedigend und wurde bei der Sanierung korrigiert, ja sogar verbessert. Denn statt dem über einer Gitterkonstruktion gespannten Gewebe aus Jute hat man jetzt ein dünnes Metallgeflecht gewählt, das bis zur Verkleidung mit Holzlamellen noch an der Bühnenrückwand schimmert. Dieses Geflecht, so der verantwortliche Akustiker Martijn Vercammen, lässt den Klang durch, dämpft ihn aber nicht mehr wie früher die Jute.
„Wir wissen schon, wie der Saal klingt“, gibt er sich gewiss, „wir haben ihn bloß noch nicht gehört.“ Dafür hatte man intensive Berechnungen angestellt und auch ein Modell im Maßstab 1:10 konstruiert. Doch ein kleiner Rest Ungewissheit bleibt immer. Erst beim Feintuning vor Ort zeigt sich wirklich, ob alle Berechnungen und Tests erfolgreich waren. Das ist auch an diesem Morgen der Fall. Auf den Pulten des Beethoven Orchesters liegt unter anderem Gustav Mahlers vierte Symphonie, mit der der musikalische Ernstfall simuliert wird. Und tatsächlich: die Bässe, so konstatiert Orchesterchef Dirk Kaftan in einer Pause, sind im Saal zwar sehr präsent, auf der Bühne jedoch hört er sie kaum. Für solche Details sind die Akustikproben da, nach denen an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden kann. Für den Fall der Fälle hat man auch eine Nachhallanlage, doch die bleibt bei der Probe erst Mal aus.
Für Dirk Kaftan ist es das erste Mal, dass er den Saal in seiner fast fertigen Originalgestalt hört. Seit 2017 amtiert er als Generalmusikdirektor in Bonn, da wurde die Beethovenhalle schon ein Jahr lang saniert. Bei einer Bauprobe während der letzten Arbeiten war der Saal noch weit von der Fertigstellung entfernt. Auch für ihn und für viele neue Orchestermitglieder bedeuten die ersten Klänge im Saal eine Art Neubeginn. Es sei der Beginn eines Prozesses, der nun bis zum ersten Konzert Mitte Dezember laufe, so Kaftan, der sich sehr bewegt zeigt und auch ein bisschen aufgeregt. Während der Probe lässt er die Musik erst mal einfach laufen, unterbricht kaum, wandelt dirigierend in der Halle umher.

Akustiktest Beethovenhalle Bild. © Sascha Engst / Bundesstadt Bonn: vorne rechts: Dr. ir. Martijn Vercammen (Akustiker der Peutz Group) und das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Generalmusikdirektor Dirk Kaftan in der denkmalgerecht sanierten Beethovenhalle bei den ersten Akustikproben
Währenddessen erklärt Akustiker Vercammen, das es durchaus eine Herausforderung gewesen sei, die akustischen Maßnahmen mit dem Denkmalschutz der Halle zu vereinbaren. Das sei seiner Meinung nach sehr gelungen, gespannt war er an diesem Morgen trotzdem. Er und sein Team messen an diesem Morgen die Schallpegel im Saal und machen vor allen Dingen eines: Zuhören. Der Saal sei etwas halliger geworden, so Vercammens erstes Fazit.
Ein weiteres Fazit an diesem Morgen: „Man kann auch leise spielen“, so ein Orchestermitglied. Keine Selbstverständlichkeit in einem Saal, in dem das Rauschen der Lüftungsanlage omnipräsent war. Davon ist jetzt nichts mehr zu hören. „Man braucht nicht mehr forcieren, kann sich auf die Klangqualität fokussieren“, so ein anderes Fazit. Gute Voraussetzungen also dafür, dass Bonn mit der „hochwertigen Sanierung zu einem klangvollen Konzertsaal“ wie Projektleiter Steffen Göbel es ausdrückt, endlich wieder konkurrenzfähig wird. Zumal auch die Probenbedingungen für das Beethoven Orchester auf ein neues Level gehoben werden. Mit dem nicht wiederzuerkennenden Studio der Beethovenhalle erhält es einen idealen Probenort. Hier hat sich allein das Raumvolumen deutlich erhöht. Die Akustik wird zudem durch eine spezielle Wandverkleidung positiv beeinflusst. Auch der Backstage-Bereich wurde modernen Erfordernissen entsprechend aufgehübscht.

Akustiktest Beethovenhalle Bild. © Sascha Engst / Bundesstadt Bonn: Das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Generalmusikdirektor Dirk Kaftan in der denkmalgerecht sanierten Beethovenhalle bei den ersten Akustikproben
Und auch das gehört dazu: Orchesterdirektor Michael Horn weist die Musikerinnen und Musiker in die Benutzung der neuen Stühle ein, die optimales Arbeiten ermöglichen sollen. Auch das Publikum hat im Übrigen neue Sitzmöbel bekommen, deren Design an die alten Stühle angelehnt ist, die aber deutlich eleganter und bequemer wirken.
Doch muss sich das Publikum noch bis zum 16. Dezember gedulden. Während der Proben wird es durch lange Stoffbahnen auf den Stuhlreihen vertreten, die den Klang dämpfen sollen. Wenn die Beethovenhalle dann im Dezember endlich öffnet, wird optisch weitgehend alles beim Alten sein. Akustisch jedoch, das zeigte die erste Probe, könnte die Sanierung einen wirklichen Gewinn bedeuten.
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