Die 14. Ausgabe der traditionell im Dezember stattfindenden Reihe „staging the bauhaus“ gestalteten das Anhaltische Theater und die Bauhausbühne Dessau als Hommage „conSequenze“ zum 100. Geburtstag von Luciano Berio. Die Musik des italienischen Komponisten erweist sich dabei als synergetischer Impulsgeber für Tanz.
Giulia Riccio, Annika Boos (Sopran), Carlotta Rocchi. Foto: Claudia Heysel
Bauhaus & Berio: Eine Hommage des Anhaltischen Theaters zum 100. Geburtstag
Neue Musik hat in Sachsen-Anhalt stetige Akzente, aber keinen hochragenden Leuchtturm. Desto wichtiger sind Initiativen wie das mit dem Theaterpreis DER FAUST 2025 ausgezeichnete eXoplanet-Festival für neues Musiktheater in Magdeburg und die kleinen, aber stetigen Initiativen des Anhaltischen Theaters und der Anhaltischen Philharmonie, mit der GMD Markus L. Frank vor kurzem das Album „Musik aus der Bauhausstadt Dessau“ mit Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“, vor allem aber Thomas Buchholz’ „Feininger-Fraktale für großes Orchester“ (2018) herausgebracht hatte. Im Mai 2025 wurden für die Reihe „Raum für Klang“ des Bauhaus Museum Dessau in Kooperation mit KlangARTVision „Il cerchio tagliato dei suoni“ von Salvatore Sciarrino etwa 100 Flötenschülerinnen und Flötenschüler gesucht. Vor der europäischen Erstaufführung der Oper „Alma“ des brasilianischen Komponisten Claudio Santoro in Rahmen des Kurt Weill Fest 2026 gibt es beim traditionell im Dezember stattfindenden Modul staging the bauhaus (XIV) die Hommage „conSequenze“ zum 100. Geburtstag von Luciano Berio.
Neben einem Kammerensemble unter Wolfgang Kluge aus der Anhaltischen Philharmonie agiert das Ballett. Zwischen Kurt Joos’ expressionistisch-sachlichem Klassiker „Der grüne Tisch“ zum Bauhaus-Jubiläum und „Schwanensee“ eroberten sich die sechs Tänzerinnen und Tänzer nicht gerade einfache und in dieser Spartenkombination an Eindrücklichkeit gewinnende Werke. Das Bauhaus verpflichtet, selbst wenn in diesem Programm weniger das angekündigte Experiment als eine überraschende Konsolidierung ersatunte. In dieser Stunde mit Kompositionen, zudem von Toru Takemitsu, Krzysztof Penderecki und Alejandro Escuder bewährt sich der italienische Avantgardist und Postmoderne Berio als Dance-Soundtrack hervorragend. Das liegt auch an der Choreographin Emmanuelle Grizot, welche ihre als Étoile zwar ihre immense Kenntnis des klassischen Repertoires einbrachte, für die mit rhythmisch freien und in der Klangrealisierung oft variablen Stücken aber nicht dogmatisch an dessen Gesten-Perfektionismus festhielt. Die Symmetrien der Paare und des Kreises der Gruppe ermöglichten dennoch eine Geschlossenheit, welche die Koinzidenz von Neuer Musik und Tanz-Moderne nicht zu einer willkürlichen, sondern synergetischen Reibung machte. Sensibel agiert auch die unter der Direktion von Stefano Giannetti stehende Kompanie. Auf der schlicht gehaltenen Bauhaus-Bühne gibt es nichts gespreizt ‚Balletthaftes‘. Die Spontanität bleibt durchgängig bis zum symbolkräftigen Tritt auf das knallrote Minipodest und beim pantomimischen Kontakt mit den Musizierenden.
Faszinierend durch die unterschiedlichen Charaktere von Tanz und Musik geriet Berios berühmte „Sequenza 3“ für Sopran solo. Annika Boos setzte eine extrem kultivierte Gesangsleistung. Sie könnte das zwischen vokalen Extremen, Mouth Percussion und wenigen Anteilen von Spuren einer immanenten Belcanto-Grammatik als Suite von Etüden mit Virtuositäten-Glimmer aus- und vortragen. Boos setzt dagegen die fast klischeehafte Innigkeit eines deutschen Soprans mit Schubert-Ambitionen. Grizot drängte die Tänzerinnen Carlotta Rocchi und Giulia Riccio nicht zu hektischen Bewegungen in Entsprechung zum vokalen Nachtigallenschlag und Geläufigkeitsblitzen, sondern eine gezielt synkopische Folge mit kontrapunktischen Bewegungsfarben.
An solchen Momenten zeigt sich das Potenzial von Berios Musik für Tanz. Zum beiläufigen Begleitungsfluss ist Berios Musik definitiv zu anspruchsvoll und anstrengend. Aber er entlässt jede noch so von der Musik sich unabhängig machende Choreographie nicht aus der Bindung von Synergien. Gerade weil Berios Kompositionen so eigenwillig sind, ermöglichen sie dem Tanz eine nicht minder starke Autonomie. Das zeigte sich auch bei Berios Lied (1983) zur Interaktion von Marcos Vinícius dos Anjos mit dem Klarinettisten Oscar Fayos Franco.
- Share by mail
Share on