Bei Tschaikowsky und auch in der Regie von Olivia Fuchs am Badischen Staatstheater Karlsruhe ist viel von Onegins Zwiespältigkeit ausgeblendet . Die britische Regisseurin, die mit den Inszenierungen von Brittens „Tod in Venedig“ oder Janáčeks „Die Sache Makropoulos“ hervortrat, vor allem aber für die Uraufführung der Oper „Grete Minde“ des von den Nazis ermordeten jüdischen Komponisten Eugen Engel 2022 in Magdeburg sehr gelobt wurde, interessiert sich hier nicht nur für Tatjana, sondern für das gesamte weibliche „Onegin“-Personal.
Ihr Konzept manifestiert sich im Bühnenbild Nicola Turners (auch Kostüme), das mit einem wahren Dickicht von Haaren und Fäden, Be- und Verstrickungen symbolisiert. Die Haare der Frauen drückten stets ihren gesellschaftlichen Status, aber auch ihre sexuelle Verfügbarkeit aus. Sie wurden geflochten, kunstvoll aufgetürmt, unter Kopftüchern versteckt und im gelösten Zustand nur dem Ehemann gezeigt. Noch in den 1950er Jahren hatte ein Schulmädchen in Deutschland sittsame Zöpfe zu tragen, gilt im Islam das weibliche Haar viel zu verführerisch, um öffentlich gezeigt zu werden. Analog dazu strickten, häkelten, webten die Frauen, hielten nicht nur wie die Schicksalsgöttinnen die Fäden in der Hand oder schnitten sie ab – was sich in einer Fülle sprachlicher Metaphern niederschlug. Turner lässt aus diesem Geflecht aus Haaren oder aus Wolle einen ganzen Wald erstehen, der die ländliche Umgebung des Geschehens kennzeichnet.
Tentakelartig umfangen schwarze Stricke Tatjana, nachdem Onegin ihr Liebesgeständnis abgewiesen hat, ein rosafarbenes Gestrick hängt damoklesschwertartig von der Decke, wenn Onegin und sein Freund Lenski sich in den Konventionen einer Eifersuchtsszene und des anschließenden Duells verstricken. Fuchs deutet dies nicht nur als gesellschaftliche Bindungen, sondern auch als Wurzeln, die unser Leben bestimmen, denen wir nicht entkommen können. Die Allgegenwärtigkeit des Waldes, eines Dickichts, eines Dschungels reicht aus, um das zu ver(sinn)bildlichen, ansonsten werden die Schnüre oder Stricke sparsam eingesetzt. Das ist auch gut so, die Idee ist nicht ganz neu und auch nicht frei von Banalität, aber kann hier doch einige bildliche Faszination ausstrahlen.