Perkussionsinstrumente sind zweifelsohne die ältesten Werkzeuge musikalischer Äußerungen, dadurch von seelentief reichender Wirkung. Das Schlagwerk in voller Bandbreite für die ernste Musik entdeckt zu haben, gehört zu den größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Wenn sich also der Tonkünstlerverband Bayern in seiner neuesten Publikation der Notenreihe „Neue Töne“ der aktuellen „Musik für Percussion“ zuwendet, dann begibt er sich auf ein Gebiet, das sich in den letzten Jahrzehnten vital und entdeckungsfreudig in einem erstaunlichen Tempo weiterentwickeln konnte. Allein im Instrumentarium über alle Grenzen hinweg, aber auch in spieltechnischer Hinsicht mit Erfindungslust und in allen Musikgattungen wildernd.
Die zweibändige Ausgabe – solistische und Ensemble-Kompositionen – mit einem Schlagzeug-Festival in München vorzustellen, war zweifelsohne eine wirksame Methode, die Werke auf den Weg zu bringen und dem musikalischen Nachwuchs Neue Musik ans Herz zu legen. Auch wenn Letzteres in diesem Fach stets auf große Akzeptanz stößt. Die Aufnahme didaktisch grundierter Stücke in die Sammelbände ist nicht zuletzt als Einführung in die Besonderheiten Neuer Musik sinnvoll.
Die Percussion-Workshops für Pädagogen und Schlagzeugschüler von Murat Coskun, Leander Kaiser, Anno Kesting und Stefan G. Schmid fokussierten den didaktischen Aspekt, aber auch die Öffnung des Spektrums sowohl in instrumentaler als auch inhaltlicher Hinsicht. Das anschließende Gesprächskonzert „Geschichten aus 1000 und einem Rhythmus“ in der Blackbox am Gasteig mit sechs Uraufführungen zeigte dann auch eine bemerkenswerte Lebendigkeit und Dynamik im Umgang mit der Materie, die von ironisch über spielerisch bis hin zu höchst konzertant und virtuos charakterisiert war. Die faszinierende Vorstellung von Murat Coskun auf den traditionellen Rahmentrommeln des Orients führte die enorme musikalische Kraft der Jahrhunderte alten Tradition vor Augen. Klaus Hinrich Stahmer, Projektleiter der Publikationsreihe und eloquenter Moderator der Konzerte, ließ sich selbst von diesem Instrument zu seiner Komposition „Erinnerungen an einen Holzsammler“ inspirieren, die hier zur Uraufführung gelangte.
Die Auswahl der Werke für die Neuerscheinung geschah im Rahmen eines Wettbewerbs der Herbert-Baumann-Stiftung, die mit der Ausschreibung bayerische Komponisten aufrief, „Werke für Percussion zu schreiben, die Kinder, Jugendliche, aber auch Meister auf dem Instrument spielen können“, gibt der Tonkünstlerverband Bayern an. Letzteres war denn auch der Anlass, den international renommierten Schlagwerker, Forscher und Hochschulpädagogen Peter Sadlo ins Boot zu holen, der auch die Partituren spieltechnisch einrichtete. Sein Meisterkurs stand im Mittelpunkt des Festivals, das mit dem Abschlusskonzert im Carl-Orff-Auditorium der Musikhochschule einen beeindruckenden Höhepunkt mit fünf Uraufführungen konzertanter Werke erreichte. „Technik ist nur Mittel zum Zweck, aber Du musst sie besitzen“, sagte Sadlo im Kurs, was auch seinen didaktischen Ansatz treffend charakterisiert. Übungseinheiten aus Motiven der einstudierten Werke, die dem Schlag wie auch der Haltung galten, führten schnell und gezielt zu motivierenden Erfolgen, um der Ausdruckstiefe das nötige Material zu liefern. Und Sadlo konnte sich schon mal an einem scheinbar belanglosen Detail festbeißen, bis deutlich wurde, dass erst die sorgsame Ausführung über Bedeutsamkeit entscheidet.
Im Abschlusskonzert zeigte sich dies deutlich in Werken mit kargstem Instrumentarium, wie dem „Nachruf“ von Wilfried Hiller, das auf dem Semantèrion des griechisch-orthodoxen Ritus zur Ausführung gelangte. Auf vergleichbare Reduktion ließen sich auch Johannes X. Schachtner („Invention II“ für vier Holzblöcke), Nicolaus A. Huber („Clash Music“ für zwei Becken) und Markus Lehmann-Horn (Solo für kleine Trommel, Fuß und Pfeife) mit Mitteln der Verdichtung, Klangdifferenzierung und Strukturbildung überzeugend ein. Von höchster Ausdruckskraft in angespannter Emotionsleere präsentierte ein Quartett um Peter Sadlo „Im Auge des Wirbelsturms“ von Peter Kiesewetter, der in der Zeit der Entscheidungsfindung der Jury verstarb. Narrative Bildkulissen bauten indes Dorothee Eberhardt mit dem eindrucksvollen „El Conde de Gondomar“ für ein farbenreiches Set sowie Peter Wittrich mit „Prayer on the Hills“ für Vibraphon und Werner Heider mit „In der Tiefe“ für Marimba. Moritz Eggert trieb wieder einmal seine ironischen Spielchen mit „Processional: Trilocke 1“ für Blaskapelle ohne Bläser mit spaßiger Choreographie.