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Foto: © Landestheater Niederbayern / Foto Peter Litvai

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Passauer Kleinstadt-Elegie: Die Uraufführung von Peter WesenAuers Oper „April. Die Geschichte einer Liebe“ nach Joseph Roth

Vorspann / Teaser

Intendant Stefan Tilch hat im 22. Jahr seiner Intendanz am Landestheater Niederbayern einen Text nach der Erzählung „April. Die Geschichte einer Liebe“ (1925) des aus Galizien stammenden Joseph Roth geschrieben, der oberösterreichische Komponist Peter WesenAuer nach beider ersten gemeinsamen Erfolg mit einem Schauspiel nach Roths „Hiob“ als Oper vertont und im Fürstbischöflichen Opernhaus Passau zur Uraufführung gebracht. Starker Beifall mit Nachdruck. 

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Eine Dreiecksgeschichte mit dicht gestaltetem Milieu und Atmosphäre eines Durchschnittsorts. Wie viele belletristische Texte zwischen Thomas Mann und Hugo von Hofmannsthal handelt auch „April“ vom Zaudern bei anstehenden Entscheidungen und äußerst fragilen Beziehungen. Stefan Tilch fand den Titel, der in der Oper betreffend schwankendem Thermometer und Stimmungsbarometer von Bedeutung ist, „flirrend“. Die Pläne und Emotionen im launischen April sind wechselhaft und emotionale Sturmhöhen, aber am „28. Mai weiß man bereits, was man will.“ So redet es sich der Ich ein, gibt Anna den Laufpass und bekommt das weder invalide noch vom nahen Tod gefährdete Mädchen am Fenster nicht, aber wenigstens von diesem kurz vor der Abreise ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten von diesem ein strahlendes Lächeln. Reinhild Buchmayer singt dieses strahlend wie WesenAuers breite Melodienlinien wirkende Geschöpf. 

Im Zentrum der Oper stehen der Ich, geteilt in einen Tenor und einen Schauspieler, die von ihm umworbene Anna und das Mädchen am Fenster inmitten der Menge markanter Figuren eines nicht konkret lokalisierten Kleinstadtlebens in Mitteleuropa. In den Filmen von Florian Rödl kommt neben dem Aufführungsort mit nostalgischen Einstellungen auch New York ins Bild – als Sehnsuchtsort und Fluchtpunkt aus beengten Verhältnissen. 

Der inszenierende Intendant und der dirigierende Komponist haben glasklare Vorstellungen von den vagen Begebenheiten in Roths Novelle. Der Kleinstadt unterstellen beide eine gewisse provinzielle Enge. Doch die spielerisch-tänzerische Bewegtheit der zahlreichen Episoden und Figuren zeigt etwas Anderes. Der Postdirektor (Edward Leach) und der Kellner Ignatz – keineswegs frustriert vom gescheiterten Berufswunsch Politiker (Daniel-Erik Biel) erweisen sich – dank ihrer Darsteller als außerordentlich wendig, gleichermaßen der Briefträger (Albin Ahl), der Reisende (Matthias Bein) und alle anderen im spielfreudigen Ensemble. Die Kostüme und das andeutende Bühnenbild halten Charles Cusick Smith und Philip Ronald Daniels in Farbtönen von Erdbraun bis Cognac. Mit einigen dunklen Farbakzenten erweist sich die Ausstattung auf der kleinen Bühne weitaus beweglicher als die absehbare Gestik der Inszenierung. Tilch organisiert Abläufe ohne tiefere Beweggründe. Das letzte Lächeln des doch nicht kranken Mädchens am Fenster für den abreisenden Ich, die Enttäuschungs- und Klagetiraden Annas dagegen werden mit melodramatischer Überzeichnung ausgespielt. Roths morbide wie lapidare Melancholie schafft es nicht in diese Oper. 

WesenAuers Partitur dazu ist durch und durch tonal. Schnell prägt sich ein, in welcher Reihe seine Klangmodule in schöner Regelmäßigkeit aufeinanderfolgen. WesenAuer gestaltet mit diesen überschaubaren Einfällen und gestisch gekonnter Versiertheit den 90-minütigen Opernabend – seine erste Fassung war um eine Stunde länger. 

Aus Roths gebrochenen Figuren machten Tilch und WesenAuer geradlinige Opernpartien. Apart wirkt zunächst der aus Joachim Vollraths Sprechstimme und Martin Mairingers Tenor zusammengesetzte Ich. Mairingers Tongebung ist vorbildlich betreffend gesanglicher Zielstrebigkeit, deutlicher Deklamation und gestischer Gestaltung. Henrike Henoch gibt eine herzensgute Anna mit inniger Lyrik ohne Proletarierinnen-Appeal. Am Krisenpunkt darf sie hysterisch wirkende Wortwiederholungen skandieren. 

Kompositorisch wie szenisch funktioniert der Menschenverband im Kleinstadtambiente absolut reibungslos und ohne Fragezeichen. Da hätte ein bisschen mehr skurrile Präsenz, nur eine leichte Andeutung von kafkaesker Abgründigkeit und die Besinnung auf das leichte Grauen à la Stephen King gutgetan. Tilchs Kleinstadtgeschichten wirken einfach nur nett mit einem Hänger von Schäfchenwolken auf blauem Himmel und den Dächerzacken darüber. Die flirrende Getriebenheit im April bleibt gemütlich, die Musik macht in ihrer üppigen wie simplen Redseligkeit alle Fragen gegenstandslos. Bis zum Ende wird dem anfangs noch neugierigen Zuschauer das Innenleben des Ichs und der Figuren ziemlich gleichgültig. WesenAuer steht am Pult der Niederbayerischen Philharmonie, holt aus zu einem breitem Fluss und er kostet die von ihm geschaffene Klangfülle mit raumgreifenden Selbstbewusstsein aus. Dem Chor des Landestheater-Niederbayern unter Leitung von R. Florian Daniel und der Statisterie mit der Choreographie von Sunny Prasch gelingt eine sehr synergetische Zusammenarbeit. Roths Kleinstadt wird auf der Bühne durch diese Gruppen zum sozialen Räderwerk, in dem jedes Gesellschaftsrädchen die Eigenheiten aller anderen im Kollektiv bestens kennt. Es gibt weder Geheimnisse noch kleine Überraschungen und große Wirkungen.

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