Mit dem Fragezeichen und dem Untertitel dieses Buches suggeriert der Autor – erfahrener Musikpädagoge und Wissenschaftler – zweierlei: Die Orchesterlandschaft ist erstens ein entscheidender Faktor für die „Musiknation Deutschland“ und sie ist zweitens immerhin so gefährdet, dass sie eines Plädoyers in Buchform bedarf. Dem mag man angesichts der einzigartigen Orchesterdichte und -qualität sowie immer wieder drohender Fusionen und Erosionen gerne zustimmen, und doch baut sich bei der Lektüre zunehmend ein weiteres imaginäres Fragezeichen auf: Denn für wen Werner-Jensen dieses Buch eigentlich geschrieben hat, wird nie so recht klar.
Zweifellos ist seine Übersicht zur Historie, zu den verschiedenen Physiognomien und Berufsbildern sowie zum aktuellen Stand der Orchester (bis auf gelegentliche Wiederholungen und einen als Fremdkörper wirkenden pädagogischen Exkurs) kundig zusammengestellt. Für Insider bietet sie allerdings wenig Neues, vor allem aber ist der im Titel heraufbeschworene Zukunftsaspekt unterbelichtet. Hier hätte man sich deutlich mehr Gedanken jenseits des Bewahrens des Status quo gewünscht. Ein unkritisches Interview mit Reinhold Würth über sein neu gegründetes Orchester trägt hier ebenfalls nichts bei. Ob andererseits ein durchschnittlicher Klassik-Liebhaber Gefallen an dem Büchlein findet, bleibt ebenfalls fraglich. Das Gespräch mit Christian Thielemann zur Arbeitsweise des Bayreuther Festspielorchesters wird als Anreiz wohl nicht ausreichen.
So bleiben ambitionierte, aber inhaltlich nachhilfebedürftige Kulturpolitiker/-innen als potenzielle Adressaten des Bandes, der wohl nicht zufällig kurz vor der Entscheidung über die Aufnahme der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft in die internationale UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes erschienen ist. Möge das Buch also hier segensreich wirken!
- Arnold Werner-Jensen: Musiknation Deutschland? Ein Plädoyer für die Zukunft unserer Orchester. Henschel Verlag, Leipzig 2019, 208 S. € 18,00, ISBN 978-3-89487-809-2