Ohne Gewissensbisse schwul

Im künstlerischen Milieu sind Bekenntnisse zu eigener Homosexualiät, modern als „Coming-out“ bezeichnet, nicht ungewöhnlich. Doch was in unserer Gegenwart schon normal ist, war für den renommierten Konzert­pianisten Stephen Hough an der Grenze, wo jemand „Genug“ sagte und schweigen forderte.

1961 geboren und aufgewachsen in engstirniger englischer Provinz, hat sich Stephen Hough doch ausreichend Selbstbewusstsein bewahrt, dass er ungetrübt offen über ihn prägende Kinderszenen berichten kann: „Unser Körper ist ein wunderbares Zuhause, in dem wir jede Sekunde unseres Lebens verbringen. Und bevor Tabus aufgestellt werden, erforschen wir ihn, schauen und spielen und lernen ihn allmählich zu respektieren. (…) Ich war ein schüchternes Kind, das sein Handtuch im Warrington Bath um seine Blöße festgeklammert hielt und eine Bibel hatte; interessant war: diese Popstar-Poster an den Wänden meines violetten Zimmers. Dieser lüsterne Puritaner“, kommentiert er sich ironisch.

Obwohl ihm schon früh seine sexuelle Neigung dämmerte, entstand kein Familiendrama – wohl weil Stephen Hough sich nicht rechtfertigen musste. Jedenfalls war er einerseits wegen seiner pianistischen Ambitionen abgelenkt, andererseits zum (damals) fanatischen Katholiken konvertiert, überzeugt, dass Keuschheit aufdrängendes Begehren, gerade während seiner Ausbildung an der Juilliard School of Music in New York, sublimieren würde.

Wie er diesen Weg bis zum spektakulären Erfolg beim Naumburg-Wettbewerb 1983 offenbar ohne seelische Blessuren meistern konnte, erzählt Stephen Hough mit metaphorischem Charme und sympathisch-menschenfreundlichem Stil. Ein wirklich bemerkenswertes Buch über die Kunst, ohne Gewissensbisse schwul zu sein!