Hans-Helmut Decker-Voigt: Musiktherapeutische Tiefenentspannung. Leitfaden für die Praxis, Ernst Reinhardt Verlag, München 2024, 216 S., Abb., € 33,00, ISBN 978-3-497-03173-3

Hans-Helmut Decker-Voigt: Musiktherapeutische Tiefenentspannung. Leitfaden für die Praxis, Ernst Reinhardt Verlag, München 2024, 216 S., Abb., € 33,00, ISBN 978-3-497-03173-3
Therapeutisches Einstimmen
Mögen die Gedanken zur Musiktherapeutischen Tiefenentspannung (MTE) als Variante einer rezeptiven Musiktherapie auch bereits seit den 1980er Jahren entstanden sein, so bleibt anzumerken, dass dieses Buch zu dem Thema während der Zeit der Corona-Pandemie entstand. Die Stimme, die coronabedingt häufig schweigen musste, auch weil kein Kommunikationspartner anwesend beziehungsweise direkt greifbar war, geriet daher in manchen Fällen in eine Verstimmung, die sich infolge mangelnder Kommunikation auch auf andere Bereiche übertrug. Mag sein, dass sich auch durch eine Infektion manche Stimme als solche veränderte, vorübergehend, vielleicht auf Dauer.
Der betroffene Mensch war jedenfalls der Ver-Stimmte, der, wie ein verstimmtes Saiteninstrument, neugestimmt werden muss. Ob das so einfach geht?
Ein Saiteninstrument lässt sich gezielt umstimmen, zum Beispiel besser auf eine bestimmte Tonart passend. Dann ist es nicht verstimmt, sondern in sich stimmig, aber es kann sein, dass ich es bald darauf in eine andere Tonart umstimmen muss. Ist die letzte Stimmung eine Weile vergangen, muss ich es neustimmen. Mussten nicht nach dem Abklingen der Pandemie auch viele Beziehungen zwischen den Menschen, die verstimmt waren, neu aufeinander ein- beziehungsweise abgestimmt werden? Also nicht absolut, sondern relativ, sozusagen wohltemperiert?
„In der Musiktherapeutischen Tiefenentspannung (MTE), auch als Hypnomusiktherapie (HMT) bezeichnet, geht es um das Umstimmen, Neustimmen“ (S. 14).
Hilfe zur Selbstbestimmung
Umstimmen, Neustimmen, aber auch Verstimmungen sind Vorgänge, die sich im alltäglichen zwischenmenschlichen Bereich, aber auch in psychologischen, therapeutischen und ärztlichen Beziehungen ereignen. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Weltlage scheint es verständlich, wenn sich dieses Verstimmt-Sein auch als zentrale Gefühlslage einstellt und sich individuell als Druck auf das Wohlempfinden, die Erlebnisfähigkeit des Einzelnen niederschlägt.
„Die Änderungen dieses belasteten Zeitempfindens durch vorübergehende Empfindung von Zeitauflösung sind (auch) eine Zielrichtung jeder Art von Entspannung und besonders der MTE. ... Die MTE ist eine Methode, die vermisste Erlebnisfähigkeit von Nähe und Vitalität durch die Arbeit mit Trance und Hypnose komplementieren kann“ (S. 18).
Stimme, Musik und direkter Kontakt
Über mehr als 50 Seiten werden in dem vorliegenden Buch die zehn Grundschritte der Methodik der MTE, die sich erst einmal an den Möglichkeiten einer Einzeltherapie orientieren, später dann aber auch in der Gruppentherapie über die Improvisation eingeführt, differenziert beschrieben und ausführlichst anhand von Beispielen, Maßnahmen, Methoden, Darstellungen, Grafiken et cetera erläutert, wobei die musikalischen Darstellungen und Auseinandersetzungen dabei zentrale Rollen einnehmen.

Hans-Helmut Decker-Voigt: Musiktherapeutische Tiefenentspannung. Leitfaden für die Praxis, Ernst Reinhardt Verlag, München 2024, 216 S., Abb., € 33,00, ISBN 978-3-497-03173-3
Im Rahmen einer Therapie kommt dem Gespräch zwischen Klient:innen und Therapeut:innen naturgemäß ein hoher Stellenwert zu. Und auch wenn sich im Zuge der Pandemie therapeutische Begegnungen online entwickelt haben, so bleibt nicht nur für Decker-Voigt das zentrale Element einer Therapie doch die reale, zwischenmenschlich stattfindende: Das dritte Kapitel bezieht sich auf mögliche methodische Varianten, in ein anschließendes Gespräch zu kommen, zum Beispiel über Anbindungsfragen oder Geschichten, die sich über die Musik oder deren Elemente auf das Erleben des Menschen beziehen. Die besondere Bedeutung der Stimme und ihrer möglichen Färbungen wird auch in diesem Zusammenhang hervorgehoben.
Theorie und Praxis
Doch egal welche Form man wählt, „in der MTE bleibt das Klangerlebnis die Basis im buchstäblichen Sinne“ (S. 95) und die Stimme, die „primäre Ausdrucksform jeglicher menschlicher Interaktion“ (S. 101).
Praktische Beispiele, Fallbeschreibungen unterschiedlicher Autor:innen mit unterschiedlichen Schwerpunksetzungen für eine erfolgreiche Anwendung, Forschung und Weiterentwicklung der MTE (Decker-Voigt, Stolterfoth, Pfeifer) werden in sechs weiteren Kapiteln präsentiert.
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