Er ist für die Romantik typisch, der Satz vom Lied, das in allen Dingen schläft. Und manchmal schlafen Lieder sogar in Liedern. Etwa in den „Liedern für das Pianoforte“ von Fanny Hensel, die sie 1846 und 1847 als Opus 2 und Opus 6 veröffentlicht hat. Bei vieren davon haben Adelheid Krause-Pichler, Flötistin und Musikwissenschaftlerin aus Berlin, und der Cembalist und Pianist Waldemar Wirsing mittels einer zusätzlichen, neuen Stimme für Flöte oder Violine das große kantable Potenzial freigesetzt, das sich im Klavieroriginal zwar nicht direkt verbirgt, aber doch eher als Subtext hörbar wird, freigesetzt.
Das fünfte Stück „Pastorella“ wurde ohne Opuszahl erst fünf Jahre nach Fanny Hensels Tod veröffentlicht. Während von Felix Mendelssohn Bartholdy nahezu alle „Lieder ohne Worte“ für die meisten Melodieinstrumente lange im Handel sind, handelt es sich bei dieser Ausgabe um ein Novum. Auch weil sie Ausdruckspotenziale erweitern, machen die den Klavierstücken so zugefügten instrumentalen Stimmen den Liedkern der Henselschen Komposition unmittelbarer hörbar. Dabei bleibt die Bearbeitung bei der Extraktion der Melodie aus dem vollen Klaviersatz nah am Original. Nur behutsam greifen die Bearbeitungen, die zu spielen eine gewisse Versiertheit im Umgang mit dem Instrument erfordert, in die Textur der Originale ein. Sie folgen in den Satz- und Vortragsbezeichnungen dem Erstdruck, lassen durch den Verzicht auf Interpretationshinweise Raum für individuelle Gestaltung und Ausdeutung durch die Ausführenden. Wobei diese für die poetische Bandbreite – die Stimmung der Stücke reicht von Fröhlichkeit bis zu melancholischen Dur-Moll-Gegensätzen – der Musik Fanny Hensels offen sein sollten.
- Fanny Hensel: Lieder für Flöte/Violine und Klavier. Bearbeitet von Adelheid Krause-Pichler und Waldemar Wirsing. Ries & Erler 20051