Die Komplimente sind bekannt und doppeldeutig. Exemplarisch bleibt das Urteil Ella Fitzgeralds, die einst von Marlene Dietrichs „großartiger Nichtstimme“ schwärmte. Die Frage, die auch im Pop-Kontext stets von neuem heftig diskutiert wird, drängt sich offenbar auf: Muss man singen können, um eine große Sängerin zu sein? Die Antwort ist immer wieder dieselbe: Nein, natürlich nicht. Gesang ist, jenseits der Akademien, also „mitten im Leben“, offenbar mehr und anderes als Stimmbildung und die Kunst, den rechten Ton zu treffen. Wagner-Tenöre, die versuchen, eine simple Rock-Ballade nachzusingen, stellen das schmerzhaft unter Beweis.
Die Komplimente sind bekannt und doppeldeutig. Exemplarisch bleibt das Urteil Ella Fitzgeralds, die einst von Marlene Dietrichs „großartiger Nichtstimme“ schwärmte. Die Frage, die auch im Pop-Kontext stets von neuem heftig diskutiert wird, drängt sich offenbar auf: Muss man singen können, um eine große Sängerin zu sein? Die Antwort ist immer wieder dieselbe: Nein, natürlich nicht. Gesang ist, jenseits der Akademien, also „mitten im Leben“, offenbar mehr und anderes als Stimmbildung und die Kunst, den rechten Ton zu treffen. Wagner-Tenöre, die versuchen, eine simple Rock-Ballade nachzusingen, stellen das schmerzhaft unter Beweis.Marlene Dietrich hat auch in ihrer ersten Karriere als Schauspielerin gesungen. Der verruchte Sex, den der blaue Engel Lola Lola verströmte, war nicht eine Sache der Beine, sondern der Stimme. Der Körper sprach – und zog alles in sein Pandämonium an Bereitschaft und Auflösung hinein. Marlene Dietrich, von der Hemingway gesagt hatte, dass ihr Name „mit unglaublicher Zärtlichkeit beginnt und mit einem Peitschenknall endet“, war eine große Performerin des grenzenlosen Begehrens und des urbanen Spotts.In ihrer zweiten Karriere, die in den frühen 50-er Jahren begann, zog sie als große, „globalisierte“ Entertainerin durch die Unterhaltungstempel der Kulturindustrie, nicht nur in ihrem Bewusstsein, sondern auch in ihrer Wirkung aufs Publikum „kosmopolitisch“, ein subversiver Glücks- und Rache-Engel, die große Ikone eines Jahrhunderts, das aus den Fugen geraten war. Sentimentalitäten duldete die Dietrich nicht, auch wenn sie, scheinbar eine große Unzeitgemäße in der Ära des Rock’n’ Roll, all die großen, pathetischen Lieder sang. Ihr Repertoire war enzyklopädisch, reichte quer durch die Genres. Viele Lieder hat sie sich so gründlich angeeignet, dass man sie hauptsächlich mit ihr verbindet, obwohl sie für andere und in anderen Zusammenhängen entstanden waren; nicht zuletzt auch ein Verdienst ihres „musical directors“ Burt Bacharach. Nur bei einigen wenigen, etwa Dylans „Blowin‘ in the wind“, gelang das, charmant gesagt, nicht so ganz.
Bei EMI ist jetzt eine fast alle Fan-Bedürfnisse befriedigende 4-CD-Box erschienen, mit den großen Klassikern, aber auch einigen Raritäten und Fundstücken, die sich nicht zuletzt der detektivischen Lust des nmz-Mitarbeiters und versierten Pop-Archivars Viktor Rotthaler verdanken.
Marlene Dietrich: Der blonde Engel. Die Retrospektive. 4-CD-Box, EMI.