Der Klavier-Enzyklopädist Klaus Börner wurde achtzig — MDR-Musikschätze heben — Michael Kaufmann nach Dessau — Zum Tod des Saxophonisten Charlie Mariano — Peter Mussbach 60 — Martin Ullrich Hochschulpräsident in Nürnberg
Vierhändig-Wissen komplett
Der Klavier-Enzyklopädist Klaus Börner wurde achtzig
In Weimar und Lausanne hatte er sein Musiklehrerseminar absolviert und sein Examen de Virtuosité abgelegt. In Kursen bei Alfred Cortot, Edwin Fischer und Wilhelm Kempff ergänzte er seine Klavierausbildung. Dann holte sich Klaus Börner die Belohnung: Preise in Barcelona, Monza und mehr. So kann er gut gerüstet auf Tour gehen: Konzerte führten ihn seit 1970 in 70 Länder, von Neuseeland bis Neuss, wo er heute wohnt. Die Jeunesses Musicales hatte ihn in den 1950er-Jahren gerne gefördert, er revanchiert sich, in dem er deren Organisation in Nordrhein-Westfalen mit aufbaute und in Klappholttal auf Sylt allsommerlich kammermusikalische Begegnungen für junge Musiker betreut. Inzwischen war er als Dozent für Klavier und Methodik am Robert-Schumann-Konservatorium in Düsseldorf, ab 1969 30 Jahre lang an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz etabliert, ab 1972 mit Professur und Seminarleitung. Durch seine parallele Konzerttätigkeit als Solist, als Klavierpartner im Duo und Trio mit namhaften Zeitgenossen und als Juror bei „Jugend musiziert“ eignet er sich ein ungeheueres Literaturwissen an. Er analysiert Klavierschulen für den praktischen Einsatz, denkt, so etwa beim EPTA-Kongress 1982, über den rechten Gebrauch von Notenausgaben nach, trägt bei Henles Urtext-Neuausgaben den rechten Fingersatz bei, und in der neuen musikzeitung liest man seine Rezensionen.
Aus der Summe all dieser Erfahrungen hat er sich ein einzigartiges Denkmal gesetzt mit dem vor drei Jahren erschienenen Handbuch der Klavierliteratur zu vier Händen (Atlantis). Hierin ist das einschlägige Repertoire für viele Pianistenleben, Konzertantes und Pädagogisches vom Frühbarock bis Ligeti, erfasst und kommentiert. Auch jetzt nach seinem 80. Geburtstag, den der aus der Niederlausitz stammende am 22. Juni beging, sichtet und sammelt Klaus Börner eifrig weiter – die nmz beglückwünscht ihn. er
MDR-Musikschätze heben
Im MDR-Hörfunk gibt es ein neues Arbeitsgebiet. Steffen Lieberwirth, seit 18 Jahren Leiter der Musikredaktion von „Figaro“, ist zukünftig für die Vermarktung hochkarätiger Musikproduktionen zuständig. Die Musikredaktion leitet ab 1. August 2009 Angela Kaiser. Lieberwirth wird zukünftig für den Markenaufbau, die inhaltliche Ausrichtung und Herausgabe von CD-Editionen von hochkarätigen MDR-Musikproduktionen zuständig sein. Schwerpunkt dabei sind die Aufnahmen und Mitschnitte der MDR-Rundfunkklangkörper als eigenständige Reihe, wobei natürlich der großen historischen Tradition des ältesten Rundfunksinfonieorchesters der Welt in Wort, Bild, Dokumentation und in den neuen Medien deutlich Raum gegeben werden soll. Anliegen dieses neu geschaffen Arbeitsgebietes wird es sein, die einmalige Musikregion Mitteldeutschland zukünftig noch intensiver in den Focus der Musikwelt – national wie international – zu rücken. Weltweit bereits etablierte Reihen wie beispielsweise die CD „Edition Staatskapelle Dresden“, die in der Vergangenheit mehrfach mit dem Echo Klassik Award, dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik und dem MIDEM Klassik Award Cannes ausgezeichnet wurde, werden zukünftig noch forciert und ausgebaut.
Michael Kaufmann nach Dessau
Der Musikmanager Michael Kaufmann übernimmt zum 1. August die Intendanz des Kurt Weill Fests Dessau und gleichzeitig die Leitung des Kurt-Weill-Zentrums. Damit tritt der ehemalige Intendant der Philharmonie Essen die Nachfolge von Clemens Birnbaum an, der das Dessauer Festival acht Jahre lang leitete und ab August neuer Direktor der Stiftung Händelhaus und der Händel Festspiele in Halle wird. Kaufmann plant nach eigenen Angaben eine stärkere Kooperation mit Partnern wie dem Bauhaus und mit Schulen. In den Festivaljahren 2011 bis 2013 möchte er die drei wichtigsten Lebensstationen Weills – Berlin, Paris und New York – in den Mittelpunkt stellen: „Mein Traum für das Weill Fest ist eine Art einwöchiger Campus, zu dem junge Musiker aus ganz Europa eingeladen werden, sich mit der Musik Weills auseinanderzusetzen,“ so Kaufmann. Außerdem soll das Fest in den kommenden Jahren internationaler ausgerichtet werden. Der 1961 in Heidenheim an der Brenz geborene Kaufmann war unter anderem sechs Jahre lang Koordinator der Musik Triennale Köln und hat Ende Juni einen Ritterorden für seine Verdienste um die französische Musik erhalten. Foto: Frank Vinke
Ein Entdeckungsreisender
Zum Tod des Saxophonisten Charlie Mariano
Jazzmusik war für den amerikanischen Saxophonisten kein fest umrissener Musikstil, sondern Startpunkt für zahlreiche musikalische Entdeckungsreisen. Europa gehörte seit den 60er-Jahren zu seinen immer wiederkehrenden Reisezielen: In der Formation „Pork Pie“ mit Jasper van‘t Hof und Philip Chaterine war er 1967 einer der Väter des Jazzrock. Ein Jahrzehnt später gehörte er zu den Gründern des United Jazz & Rock Ensembles. Begonnen hatte alles in Amerika: Am 12. November 1923 in Boston geboren, war er als Sohn italienischer Einwanderer mit Opern-Klassikern vertraut und bekam von früh an Klavierunterricht. Mit 17 wechselte Mariano zum Saxophon und bereits ein Jahr später startete er seine Profilaufbahn als Jazzsaxophonist und schon zehn Jahre später war er erster Altsaxophonist in der Big Band von Stan Kenton. Er gründete mit seiner ersten Frau, der Pianistin Toshiki Akiyoshi, eine Band und spielte bei Charles Mingus.
Dann kam Asien: Mit seiner Frau ging er zunächst nach Japan und kam erstmals intensiver in Kontakt mit asiatischen Musikkulturen – ein prägendes künstlerisches Erlebnis. 1967 leitete er die Radio Big Band in Kuala Lumpur und in diese Zeit fiel die Begegnung mit dem südindischen Nagaswaram-Spieler Muthaia, der später, Anfang der 70er-Jahre, sein Lehrer auf diesem Doppelrohrblattinstrument wurde. Charlie Mariano war auch dabei als die deutsche Experimentalband „Embryo“ um Christian Burchards nach Indien reiste. Der großen Faszination des Orients zum Trotz verbrachte Mariano die letzten drei Jahrzehnte seines Lebens in seiner Wahlheimat Köln. Sein musikalisches Vermächtnis ist auf mehr als 300 Alben dokumentiert, neben unzähligen Jazzproduktionen finden sich Aufnahmen mit Herbert Grönemeyer, Konstantin Wecker oder den Dissidenten. Charlie Mariano starb am 16. Juni 2009 in Köln. ak
Peter Mussbach 60
Über seinen „Rausschmiss“ als Intendant der Berliner Lindenoper braucht sich Peter Mussbach nicht zu grämen. Dass Kulturpolitik in unserer Hauptstadt das Tummelfeld eines Chaoten ist, weiß man. Dass Peter Mussbach einer der profiliertesten Opern-und Theaterregisseure der deutschen und internationalen Musik-und Schauspielszene ist, weiß auch jeder, der halbwegs etwas vom Musiktheater versteht.
Die Karriere des am 3. Juli 1949 nahe Nürnberg geborenen Peter Mussbach begann mit einem Riesenskandal: 1974 hatte ihn Frankfurts Opernchef Christoph von Dohnanyi zu einem neuen „Ring des Nibelungen“ als Regisseur verpflichtet. Todesmutig begann man mit der „Götterdämmerung“. Die keinesfalls uninteressante, kritisch intendierte Inszenierung endete in einem berühmt gewordenen Skandal, der sogar vor Gericht eine Fortsetzung fand. Thema: Urheberrecht eines Regisseurs an seiner Inszenierung. Anschließend untersagten sogar die Strauss-Erben dem Ulmer Theater, Mussbach für eine „Salome“-Aufführung zu engagieren. Mussbachs weiterer Karriere waren diese „Skandale“ eher förderlich. Die Bühnen rissen sich um den akademisch umfassend ausgebildeten und hochgebildeten Künstler, dessen psychoanalytische Kenntnisse in differenzierten Figurenzeichnungen einen oft faszinierenden Niederschlag fanden. Der Mozart-Zyklus in Kassel, hier besonders die großartige „Entführung“, der Frankfurter „Don Giovanni“, die Uraufführungen von Riehms „Mexiko“-Oper in Hamburg, von Trojahns „Enrico“ in Schwetzingen, von Dusapins „Faustus“ in Berlin waren Meilensteine nicht nur des Regisseurs, sondern des gegenwärtigen Musiktheaters überhaupt. gr
Martin Ullrich Hochschulpräsident in Nürnberg
Der 38-jährige Martin Ullrich wurde zum neuen Präsidenten der Hochschule für Musik Nürnberg gewählt. Seit dem Wintersemester 2005/06 ist Martin Ullrich Professor für Musiktheorie an der Universität der Künste Berlin, wo er von 2001 bis 2005 Gastdozent für Musiktheorie und Gehörbildung war. Seit 2007 ist Ullrich dort auch Studiendekan und Beauftragter für Lehrerbildung. Vorher war er Lehrbeauftragter für Tonsatz, Gehörbildung und Höranalyse/Werkanalyse an der Musikhochschule Rostock. Martin Ullrich studierte Klavier an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt am Main und an der Universität der Künste Berlin sowie Musiktheorie und Gehörbildung. Seine Dissertation schrieb Ullrich zum Thema „Kontrapunkt bei Schumann“. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Robert Schumann, populäre Musik, digitale Medien und Biomusikologie.