Body
Am 15. Juni feiert Rolf Riehm seinen 70sten Geburtstag. Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, an der der Frankfurter Komponist über zwei Jahrzehnte lang lehrte, gratuliert ihm herzlich.
Rolf Riehm wurde 1937 in Saarbrücken geboren. Er studierte zunächst Schulmusik in Frankfurt/M. und ab 1958 Komposition bei Wolfgang Fortner in Freiburg. Danach war er als Solo-Oboist (u.a. mit „Ungebräuchliches“ bei den Internationalen Ferienkursen Darmstadt 1966) tätig. Riehm ist Mitbegründer der Frankfurter Vereinigung für Musik, die von 1964 bis 1970 existierte. Nach kurzem Schuldienst war er ab 1968 Dozent an der Rheinischen Musikschule Köln, wo er bis 1972 auch Mitglied der „Gruppe 8“ war, einem Zusammenschluss Kölner Komponisten. 1968 erhielt er die Auszeichnung „Premio Marzotto per la Musica“ und ein Stipendium der Villa Massimo, das ihm einen Aufenthalt in Rom ermöglichte.
Von 1974 bis 2000 war Rolf Riehm Professor für Komposition und Tonsatz an der Musikhochschule Frankfurt am Main. Von 1976 bis 1981 war er Mitglied des „Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters“. Konzertreisen, Vorträge und Workshops führten ihn unter anderem nach Mittel- und Südamerika, Schweden und Japan.
1992 erhielt er den Kunstpreis des Saarlandes, 2002 den Paul-Hindemith-Preis der Stadt Hanau. Gegenstand der Musik Rolf Riehms ist die Gegenwart, die freilich nicht ohne geschichtlichen Vorbau gesehen werden kann: ihre Komplexe, ihre Narben, ihre Spielregeln, ihre politischen und gesellschaftlichen Konnotationen. ‚Was sich beim Hören auftut ist ein dialektisch gebrochener, assoziativer Raum (spätestens hier erweist sich, wie genau bedacht die Materialen zusammengesucht wurden). Schon die sprechenden Titel Riehms geben das assoziative Feld vor: in der Oper nach Kafka „Das Schweigen der Sirenen“, in Orchesterkompositionen wie „O Daddy“, „Schubert Teilelager“, „Die Tränen des Gletschers“ oder „Die schrecklich-gewaltigen Kinder“, in Kammer- oder Solowerken wie „’Ich denk viel.’/Mr. President/pizz/13“, „KlageTrauerSehnsucht“, „Hawking“ oder „Notturno für die trauerlos Sterbenden“, schließlich im die Zonen von Angst und Gewalt durchleuchtenden Märchen-Hörstück „Machandelboom“. Was vor allem freut, ist die Wachheit, mit der Riehm in einer immer mehr betäubten oder sich der Betäubung überlassenden Welt die Dinge sieht. Seine Werke sind wie Zooms auf die Wunden unserer Zeit. „O Daddy“ zum Beispiel geht direkt auf eine in Italien geführte Debatte über die Familienstruktur ein (1977 hatte in Rom der 15jährige Marco Caruso seinen Vater erschossen, um die Familie von diesem als Tyrann empfundenen Vormund zu befreien). Dann aber weiten sie den Blick und suchen das Gesamte.
Die Stücke sind Zeitzeuge und zugleich politischer Kommentar. Und sie zehren auch immer von der Rätselhaftigkeit unseres Daseins (die Oper „Das Schweigen der Sirenen“ breitet, wie schon Kafkas Text, ein Gewirr von Deutungen und Lösungen aus, ohne sich letztlich festzulegen). Solche gesellschaftliche Brisanz und Unversöhnlichkeit zeichnet die Werke von Rolf Riehm aus. Doch sie sind freilich mehr: nämlich Musik, die das Hören von Anfang bis Schluss in den Bann schlägt.’
Reinhard Schulz
Quelle: HfMDK Frankfurt am Main