Die Diskussion um den Reformprozess in der GEMA geht weiter – und umso deutlicher wird, wie unterschiedlich die zugrunde liegenden Weltanschauungen sind. Auf der einen Seite steht ein System, das sich an einer werkbezogenen Wertebeurteilung orientiert, die sich ausschließlich auf Kriterien des Werkes bezieht. Auf der anderen Seite soll ein neues Modell treten, das den Markt zur zentralen Bewertungsinstanz erhebt. In dieser Gegenüberstellung stellt sich nun die Frage: Was ist der Wert eines Werkes?
Der Wert von Musik
Bei einem reinen Inkasso-System erhält ein*e Urheber*in also nur so viel, wie ein Konzert eingespielt hat. Dies würde dazu führen, dass die Urheber*innen den strukturellen Problemen unserer Gesellschaft ausgesetzt wären. Denn in unserer Gesellschaft haben wir immer noch das Problem, dass Migrant*innen häufig ausgenutzt werden, Frauen weiterhin weniger verdienen als Männer und wir insgesamt als Gesellschaft noch viel zu tun haben. Der Markt ist nie neutral; er spiegelt oder verstärkt lediglich die bestehenden gesellschaftlichen Machtstrukturen. Auch würde der Wechsel auf eine reine Inkasso-Verteilung die Musik verändern. Wenn wir als Musikurheber*innen, die Konzerte oft selbst in Vereinen oder allein organisieren, zusätzlich auf die Einnahmen dieser Konzerte achten müssen, wären wir gezwungen, vermehrt auf vermarktbare Musik zu setzen.
Das jetzige Modell bot hier einen Ausgleich. Es versucht, eine Situation zu schaffen, in der für gleiche Arbeit auch gleicher Lohn gezahlt wird. Diesem Ideal nähert man sich durch ein System, das sich an klaren Kategorien des Werkes selbst orientiert. So spielt es keine Rolle, wie viel das Werk eingespielt hat, von wem es gespielt wurde oder wo es gespielt wurde. Gerade dies bietet für uns junge Komponist*innen einen riesigen Vorteil, da wir für ein Werk, das dieselben Kategorien erfüllt wie das Werk einer etablierten Komponistin oder eines etablierten Komponisten, denselben Betrag erhalten. Damit wurde eine Form von Gerechtigkeit etabliert, die auch Experimente erleichtert. Besonders in der heutigen Zeit ist bemerkenswert, dass dieses System von einer enorm breiten Masse der E-Komponist*innen gestützt wird, denn die Marktorientierung schreitet stetig voran und breitet sich in immer mehr Bereichen unserer Gesellschaft aus. Es ist ein System, das sehr nahe an der Lebensrealität der E-Komponist*innen liegt. Besonders im Bereich der Unterhaltungsmusik sollte inzwischen klar sein, dass ein ausgleichendes System Vorteile bietet. Hier dominieren ohnehin Marktkräfte wie Streaming-Plattformen, Algorithmen und internationale Großkonzerne. Die Einbußen durch KI-generierte Musik sind bereits spürbar; es landen inzwischen regelmäßig KI-Songs in den Charts. Frederik Braun (einer der Gründer des Miniaturwunderlandes) hat sich aktiv gegen einen von Menschen produzierten Song entschieden und stattdessen einen KI-Song veröffentlicht.
Zudem verlieren viele Filmkomponist*innen ihre Aufträge, weil KI-generierte Musik insbesondere im unteren und mittleren Produktionssegment als kostengünstige Alternative zu menschlicher Arbeit zunehmend attraktiv erscheint.
Hinzu kommt der politische Kontext: Die kulturelle Förderung steht massiv unter Druck. Die Welt um uns herum wirkt bedrohlicher denn je. Während Donald Trump in den USA offen an einer autoritären Herrschaft arbeitet und Putin die NATO-Staaten provoziert, wird in Deutschland das Geld knapp. Länder und Kommunen sparen zunehmend bei freiwilligen Ausgaben – und dazu gehört auch die Kulturförderung.
Wenn die GEMA-Mitglieder in diesem Klima beschließen, die Marktlogik innerhalb der Verwertungsgesellschaft weiter auszudehnen, sendet dies in alle Richtungen ein fatales Signal. Es liefert Politiker*innen Argumente, die öffentliche Kulturförderung weiter zurückzufahren, weil man ja ohnehin „den Markt entscheiden lässt“.
Die zentrale Frage lautet also: Soll die Vergütung von Musikschaffenden einzig nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage erfolgen, oder muss die Gesellschaft bewusst Schutzmechanismen etablieren? Kunst ist mehr als ein Handelsgut; sie ist Teil der kulturellen Identität und der demokratischen Vielfalt. Ein System, das dies anerkennt, schafft nicht nur fairere Bedingungen, sondern garantiert auch, dass unsere kulturelle Landschaft nicht allein durch die Logik des Marktes geformt wird. Der Reformprozess ist deshalb nicht nur eine technische Debatte über Abrechnungsmodelle, sondern eine Grundsatzentscheidung: Wollen wir eine Kultur, die Vielfalt schützt und fördert – oder eine, die sich blind den Marktmechanismen unterordnet?
Sollten wir nicht vielmehr den kollektiven Gedanken innerhalb der GEMA stärken? Sollten wir uns nicht gemeinsam gegen die KI-Musik der Großkonzerne behaupten – und so unsere kulturelle Zukunft sichern?
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