Vom 26. bis 29. August 2004 trafen sich 74 der besten Nachwuchsmusiker und -musikerinnen Deutschlands und des europäischen Auslandes in der musikalischen Bildungsstätte Weikersheim zum 40. Kammermusikkurs “Jugend musiziert“. Im folgenden der Bericht einer Teilnehmerin, der Oboistin Daniela Endmann aus Taura in Sachsen
Wieder einmal flatterte ein Brief von “Jugend musiziert ins Haus: „Kammermusikkurs in Weikersheim“. Anbei ein großer, grauer Zettel mit unzähligen Werkbezeichnungen gespickt, vom Barock bis Dieter Mack, in unterschiedlichen Besetzungen aus Holzblas- und Streichinstrumenten.
Eine schöne Sache – zumal, wenn man selber noch keine feste Kammermusikgruppe hat! Allerdings ist sehr viel Einfühlungsvermögen gefragt, damit man innerhalb von vierzehn Tagen als Gruppe zusammenarbeitet. Eine echte Herausforderung für jeden einzelnen, denn oft sind die Altersunterschiede der Teilnehmer in den einzelnen Ensembles groß.
In Weikersheim auf dem öffentlichen Bahnhof angekommen hieß es für mich zunächst „Augen auf“, damit ich mich anderen Trägern von Instrumenten an die Fersen heften konnte. So wurden bereits auf dem Weg zum Musikhaus die ersten Bekanntschaften geschlossen. Weikersheim, die Stadt an der Romantischen Strasse war viel größer als wir vorher geglaubt hatten – mit historischem Marktplatz und Schlossanlage. In einem Seitenflügel des Schlosses befindet sich die Musikakademie Weikersheim. Im Musikhaus wurden wir zunächst von Sabine Clausen und Kristof Gerlach empfangen, deren Stimmen ich schon vom Telefonieren und „Extrawünsche anmelden“ kannte. Hilfsbereit waren sie auch hier und die Zimmereinteilung funktionierte reibungslos. Die Zimmer, meist für zwei oder drei Personen waren sehr bequem und auch die Verpflegung ließ kaum einen Wunsch offen, für jeden war etwas dabei, sogar kulinarische Extrawünsche wurden angenommen.
Früher Vogel…
Die ersten Proben begannen am Dienstag um 9.00 Uhr, für manche ein wenig zu zeitig, um schon wach zu sein… Dagegen wurden wir von frischen und fröhlichen Dozenten empfangen, sie hatten sich uns schon am Vorabend vorgestellt. Unter der künstlerischen Leitung von Prof. Thomas Brandis aus Berlin waren dies namentlich Joachim Greiner für Viola, Stephan Haack für Violoncello, Bernhard Forck für Barock-Violine, Renate Greiss-Armin für Querflöte, Christoph Kohler für Horn, Raphael Alpermann für Cembalo, Marianna Shirinyan für Klavier, Lübeck und schließlich Dieter Mack, gebürtiger Freiburger, der über die „Pro Musica Viva Maria Stecker-Daelen-Stiftung“ für diesen Kurs gewonnen werden konnte. Er zeigte uns neue Spieltechniken auf dem eigenen Instrument, was für „klassische“ Musiker doch eher fremd ist. Und er eröffnete uns die Möglichkeit, die eigene Tonsprache eines zeitgenössischen Komponisten zu entdecken. Er selbst ist geprägt durch Erfahrungen mit der indonesischen Kultur auf Bali. Für tiefere Einblicke und um unsere zunächst höchst kritische Distanz zu Neuer Musik abzubauen, hielt Dieter Mack zwei interessante Vorträge, die uns auf die unterschiedlichste Weise mit Bild, Wort und Klangbespielen für diese Musik öffnen wollten. Ich kann behaupten, es ist ihm gelungen!
Jeden zweiten Tag gab es vom Ensemble-Leiter neue Anregungen, wie das vorliegende Werk zu verstehen und umzusetzen sei, es wurde dabei nicht nur erklärt, sondern auch kräftig vorgespielt. Und wer wollte, konnte sich außerdem Anregungen für das jeweilige Werk bei dem Dozenten für das eigene Instrument holen. Neben den Proben, blieb noch genügend Zeit zum eigenen Üben, selbstständigen Proben der Ensembles, sowie zum spontanen, gemeinsamen Musizieren mit Leihmaterial aus der Notenbibliothek. Wer von der Musik eine Pause brauchte, konnte abschalten beim Tischtennis und Fußball, oder bei einem Spaziergang durch den zauberhaften Schlossgarten. Für das Abendvergnügen war im Jeunesseskeller gesorgt: einfach ein Plausch beim Bierchen (nur für über 16-Jährige!) oder Wettkämpfe beim Tischfussball oder Billard. Erstaunlich war übrigens die enorm gute Kondition einzelner Nachtschwärmer!
Das Verhältnis zwischen Kursteilnehmern und Dozenten war so gut, dass wir alle dem gemeinsamen Ausflug entgegenfieberten – nicht zuletzt, weil dies für beide Seiten Entspannung vom Kursalltag bedeutete! Mit dem Bus fuhren wir entlang der Romantischen Strasse nach Creglingen, besichtigten dort in der Kirche einen Riemschneider-Altar und setzten die Reise fort, bis Rotenburg ob der Tauber. Den Reiseleiter gab Thomas Brandis, der uns bestens über alle interessanten Details dieser Reise informierte. Ein super Service!
Allmählich neigte sich der Kurs seinem Abschluss entgegen und am Ende der zweiten Woche gab es immer öfter Engpässe bei den Übezimmern: Jeder bereitete sich nun intensiv auf die drei Abschlusskonzerte im Gärtnerhaus vor, die am Freitag, den 27. August, am Samstag, den 28. August und Sonntag den 29. August stattfinden sollten. Bereits am Donnerstag zuvor fand ein erstes Werkstatt-Konzert statt. Gespielt wurden Stücke, denen für eine öffentliche Aufführung noch der letzte Schliff fehlte.
Und dann die bange Frage unter uns Musikerinnen und Musikern: Drei Konzerte am gleichen Ort, finden sich dafür genügend Zuhörer? Erleichterung machte sich breit, jedesmal, wenn wir in den Konzertsaal spähten. Jedes der drei Konzerte war sehr gut besucht und, nach unserem Gefühl, ein Erfolg. Die Ensembles bewiesen nicht nur musikalisches Können, sondern auch eine enorm sichere Bühnenhaltung. Wir alle waren ziemlich stolz auf unsere Professionalität. Der Höhepunkt bei jedem Konzert waren die Aufführungen der Werke von Dieter Mack. Erstaunlich ist, wie selbstverständlich sich die Instrumentalisten nach so kurzer Zeit in einer so fremdartigen Tonsprache bewegen konnten. Dazu jeweils ein Extraapplaus für den Komponisten! Und plötzlich war auch schon Sonntag und die Abreise nach der Matinee stand bevor. Dem Abschiedsschmerz setzten wir die Freude über das Erreichte entgegen und verabredeten ein Wiedersehen im nächsten Jahr.