Am Sonntag, den 7. Dezember 2025, um 18.00 Uhr findet in Köln eine außergewöhnliche Kinovorstellung statt. M-cine (Katharina Stashik, Saxophon und Dorothee Haddenbruch, Klavier), laden zur Feier ihrer Dernière in der Stummfilmkonzertreihe „M-cine spielt“ ein. Im Theater509 im Bürgerhaus Stollwerck werden in Kooperation mit dem Verein Köln im Film e.V. die Filme „Nothilfe Köln“ (1930) (UA) und „Die Puppe“ (Ernst Lubitsch, 1919) gezeigt.
Foto: Gregor Kaluza
Musikalische Reise vom Stummfilm zum Klangfilm
Die beiden Musikerinnen spielen dazu live ihre eigens neu komponierten Filmmusiken. Seit sie sich vor über 20 Jahren an der Musikhochschule Köln kennenlernten, widmen sie sich gemeinsam der Stummfilmvertonung, wobei sie stets neue Stücke für die alten Filme schaffen, um mit klanglichen Mitteln eine Brücke zwischen dem historischen Bildmaterial und heutigen Rezeptionsgewohnheiten zu schlagen. Die Qualitäten der filmischen Erzählung, die Bildsprache und Stimmung wird musikalisch ausgelotet. Da neben auskomponierten Elementen auch immer mit Improvisation nicht nur unter Einsatz der beiden Hauptinstrumente experimentiert wird, ist jede Aufführung ein einzigartiges Erlebnis. Dabei deckt M-cine alle Genres und Techniken der frühen Kinoleinwand ab, Komödien, Trickfilme, Krimis, Dokumentationen, Werbung, Animation, Science-Fiction – für alle Cineast:innen ist mit Sicherheit etwas dabei. In den letzten Jahren lenkten M-cine ihr Augenmerk auf die regionale Kinoproduktion und hoben noch unentdeckte Stummfilmschätze aus Nordrhein-Westfalen. Mit Förderung des Kulturamts der Stadt Köln begab sich Dorothee Haddenbruch auf eine Recherchereise in öffentliche und private Sammlungen und stieß im Rahmen ihres viermonatigen Projekts „Leicht entflammbar“ im Jahr 2023 auf 210 teils in Vergessenheit geratene Zelluloid-Filme, nach deren gefährdetem Material das Forschungsvorhaben benannt wurde.
Aus diesem Fundus stammt auch die Uraufführung am 07. 12.: als Vorfilm wird die Dokumentation „Nothilfe Köln“ gezeigt. Dieses beeindruckende Zeugnis vernetzter Wohlfahrtsbemühungen in der Stadt Köln stammt aus den Jahren 1930/31 und befindet sich im Besitz des Vereins Köln im Film e.V. Mit erstaunlich modernem Ansatz wird die Arbeit verschiedener sozialer Institutionen der Stadt dargestellt und die Wichtigkeit von Selbstwirksamkeit, Teilhabe und Menschenwürde hervorgehoben. Darüber hinaus kommen die Zuschauenden in den Genuss historischer Ansichten der Stadt Köln. Ende des Jahres wird M-cine die hierzu angefertigte Komposition auch einspielen. Die Förderung durch das Kulturamt der Stadt Köln und den Deutschen Tonkünstlerverband NRW Bezirk Köln/Aachen ermöglicht es, den Film mit Bild- und Tonspur auf der Website von Köln im Film e.V. zu veröffentlichen und so einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Bei der Aufführung im Stollwerck wird Stefanie Wüster-Bludau von Köln im Film e.V. von der Entdeckung des Films berichten. Der Hauptfilm des Abends, „Die Puppe“ wurde 1919 unter Regie von Ernst Lubitsch erstellt, dies ist ein Film aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden. Augenzwinkernd wird hierin die Geschichte des Adelssprosses Lancelot erzählt, der sich nach Aufforderung seines Erbonkels Baron de Chanterelle bald zu verehelichen hat. Er ist allerdings anderer Meinung und findet eine unkonventionelle, ihm jedoch bald entgleitende Alternativlösung, nachdem er quer durch die Stadt tumultuarischen Nachstellungen zahlreicher Heiratskandidatinnen entkommen ist. Neben gesellschaftlichen Verpflichtungen werden auch Geschlechterklischees temporeich auf die Schippe genommen.
Nachdem die Besucher:innen des Abends den Weg von der Filmforschung zur (Wieder-) Aufführungspraxis durch M-cine hörend und sehend mitverfolgt, im historischen Kölner Lokalkolorit geschwelgt und in intimem Rahmen ein Konzert erlebt haben, stehen die Musikerinnen dem Publikum noch für Fragen zu Musik und Film zur Verfügung. In der gemütlichen Theaterlounge wird so bei einem Getränk der Abend ausklingen.
Vielleicht finden sich dabei auch weitere Interessenten für die dreiteilige Konzertreihe „M-cine spielt“ oder Kooperationspartner wie Archive, Museen, Vereine oder Firmen für die Entdeckungen der regionalen Stummfilmbestände. Diesbezügliche Anfragen können an info
m-cine.de (info[at]m-cine[dot]de) gerichtet werden. Die Liste der „leicht entflammbaren“ Schätze birgt noch zahlreiche potentielle Kinoabende, die einen tiefen Einblick in die Vergangenheit der Region NRW gestatten. Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft auch noch mehr als die bisherigen 210 Filme wieder ans Tageslicht kämen. Das Projekt bietet Raum für kontinuierliche Ergänzungen. Das Duo M-cine hat noch viele Pläne für die Erschließung und Veröffentlichung dieses besonderen Materials nicht nur bei Live-Konzerten im kleinen Rahmen, sondern nach rechtlicher Möglichkeit auch im Netz für ein größeres Publikum. Dass sie auch die große Bühne beherrschen, haben die beiden Musikerinnen bereits bewiesen, beispielsweise bei Aufführungen einiger Kompositionsaufträge wie 2025 für das Beethoven-Haus Bonn und für die Internationalen Stummfilmtage Bonn, 2024 für das Murnau Filmtheater der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung Wiesbaden und das Militärhistorische Museum der Bundesrepublik Deutschland Dresden sowie 2023 für die Uraufführung der Vertonung des neu vom Museum of Modern Arts restaurierten Charlie Chaplin Films „The Adventurer/Charlie als Sträfling“ (USA, 1917) vor 1.000 Gästen bei den Internationalen Stummfilmtagen Bonn im vollbesetzten Arkadenhof. Insofern steht einer weiteren Verbreitung von „Leicht entflammbar“ nichts im Wege …
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