Was 2020 als zartes Pflänzchen begann, hat sich zu einem wahren Wundergarten für Liedkunst ausgewachsen: Das in Kooperation mit dem TKV Würzburg mittlerweile zum 6. Mal gefeierte Festival LIED IN WÜRZBURG ist inzwischen sichtbar in der Stadtgesellschaft verwurzelt und beginnt, über die Region hinaus auszustrahlen. Das Publikum nimmt das vielfältige Angebot gespannt an, und die Künstler lieben es, hier Programme präsentieren zu können, die im regulären Konzertbetrieb schwer verkäuflich sind.

Sarah Maria Sun und Jan Philip Schulze mit einem Spektakel der Extraklasse und ungehörten Meisterwerken. Fotos: Katharina Gebauer
Vielfache Anstiftung zum Lied in Würzburg
Intendant Alexander Fleischer lässt es sich nicht nehmen, sein Festival aktiv künstlerisch mitzugestalten. Er rahmt das Programm am Klavier mit einem Schubert-Abend der Extra-Klasse am Anfang und zum Beschluss mit Schuberts Winterreise, berührend gesungen von Jóhann Kristinsson. Was Christoph Prégardien mit all seiner Erfahrung für seine Schubertiade zusammengestellt hat, wurde zur Demonstration der hohen Kunst eines fantasievoll ausgedachten, persönlich gemeinten und souverän gestalteten Liederabends mit zum Teil kaum gesungenen Liedern, die auf der Autonomie der gesungenen Lyrik beharren. Was das sein könnte, ein Lied so an für sich, führte Wolfram Rieger im diesjährigen Meisterkurs fragend und erhellend vom Klavier aus vor: Belebung und Transparenz der Innenstimmen im Klavier, der energetische Entwurf der musikalischen Gedanken und die musiko-poetische Artikulation der lyrischen Phrasen forderten glasklares Handwerk und fantasievolle Imagination ein.

Christoph Prégardien & Alexander Fleischer mit Liedern von Franz Schubert; „Lachen (und Weinen)“ gab es bei der Schubertiade, die eine ganze Lebensreise umfasste. Foto: Katharina Gebauer
Mit seiner plastischen und rhythmischen Animationskunst hatte Rieger zuvor Marie Seidler durch ihren engagierten, wohlkonzipierten Liederabend Krieg und Frieden begleitet. Die vielsprachige Zusammenstellung ließ auch im Liedgenuss das Verhältnis von Lyrik und Gesellschaft reflektieren. Mit Bedacht und Bekenntnis zur Freiheit der Kunst stand auch ein liebevoll-intensiver russischer (Evelina Dobračeva, Nikolay Borchev, Fleischer) neben einem ukrainischen Liederabend (Viktoriia Vitrenko, Antonii Baryshevskyi), bei dem der vielgestaltige Zyklus Fierce January ’23 von Svyatoslav Lunyov die Hörer bewegte.
Ein weiterer Schwerpunkt des Festivals lag auf den Instrumenten zum Singen: ein träumerischer Abend mit Mirella Hagen und dem Harfenisten Andreas Mildner; eine von Kieran Carrel und Jonathan Ware mit dem Hornisten Ben Goldscheider inszenierte Begegnung zwischen Schubert und Benjamin Britten; ein von Martin Dressler und Lieselotte Fink ins Intime bearbeitetes Programm mit Lauten-Liedern, das um Shakespeare kreist; eine ins Heute verlängerte Erweiterung der Liedanordnung mit Geräuschen und technischen Mitteln in den schrägen Unheavenly Lullabies von Sarah Maria Sun und Jan Philip Schulze. Das erweiterte Kunstlied-Verständnis integrierte auch Bearbeitungen von Kunstliedern, die der Stuttgarter „figure humaine kammerchor“ unter der Leitung von Denis Rouger mit großer Klangfarbenpalette präsentierte.
Viel wäre zu berichten von dem, wie junge Künstler und Preisträger verschiedener Wettbewerbe das ihnen hier gebotene Podium zu nutzen verstanden. Aber das Festival ist längst über die Länge einer würdigenden Berichterstattung und die Bedingungen des normalen Kulturbetriebs hinausgewachsen. Es bleibt zu hoffen, dass die Möglichkeiten mit dem Erfolg des Festivals mitwachsen werden!
Lied in Würzburg
- 2020 gegründetes jährliches Festival
- Vielzahl an Konzerten mit bekannten und unbekannten Künstlern und Werken
Mehr unter https://www.festival-lied-wuerzburg.de
- Share by mail
Share on