Ein Intensivtraining und ein Repertoire an neuen Ideen für ihre Orchesterarbeit holten sich in diesem Herbst Orchesterleiter:innen im Seminar „Spannend proben“. Das von Jugendorchester-Referentin Lisa Sohm und Generalsekretär Ulrich Wüster konzipierte und passgenau auf die Bedarfe von Jugendorchesterleiter:innen zugeschnittene Angebot ist Teil des Programms „Empowerment für Jugendorchester“ und gleichzeitig dessen innerster Kern. Die Seminare sind eine Einladung der JMD an Orchesterleiter:innen, ihre Arbeit mit dem Orchester und ihre persönlichen Stärken so weiterzuentwickeln, dass sie für sich ein mehr an Energie und eine zunehmende Leichtigkeit erreichen. Die JMD-Referent:innen begleiten die Teilnehmer:innen in die Praxis und Umsetzung.
Bis in die Zehenspitzen! Eine Orchesterprobe zu leiten, erfordert Energie und setzt im Idealfall noch mehr Energie frei. Foto: JMD
Der Sprung vom „Ich“ zum „Wir“
Das Seminar „Spannend proben“ setzt sich zusammen aus einem ersten pädagogisch-methodischen Teil, in dem das Phänomen „Orchesterprobe“ beleuchtet und die Rolle, die dem/der Dirigent:in zukommt, eingehend reflektiert wird. Ein zweiter, praktischer Teil bietet die Möglichkeit, unter realen Bedingungen mit einem Jugendorchester zu „trainieren“ und die neu gewonnenen Perspektiven und (Selbst)-Erkenntnisse in eine motivierende Praxis zu überführen. Jede:r Teilnehmer:in erhält ein wertschätzendes Feedback in der Gruppe und 1:1 wird vertrauensvoll gecoacht, ein individuelles Erfolgsrezept zu entwickeln mit dem Ziel, Proben persönlich souverän und mit der im Jugendorchester unerlässlichen Flexibilität zu gestalten. Ein „Follow-Up“ einige Wochen später, bei dem die Teilnehmer:innen in einem vertrauensvollen Austausch über ihre Erfahrungen berichten, sichert die neu gewonnenen Ansätze und sorgt für einen optimalen Transfer in deren eigene Praxis.
Vier Orchesterleiter:innen mit der Neugier und dem Mut zur Veränderung nahmen im Oktober an „Spannend proben“ teil und erlebten ein inspirierendes Seminar, das nach erfolgreicher Premiere 2024 zum zweiten Mal stattfand. Im Online-Teil des Seminars unter Leitung von Jugendorchester-Referentin Lisa Sohm und Generalsekretär Ulrich Wüster setzten sich die Teilnehmer:innen etwa mit den wechselnden Rollen auseinander, die sie als Orchesterleitung einnehmen können und der Frage, welche Wirkung diese jeweils auf die Probenarbeit haben. Für alle Teilnehmer:innen war dieses Reflexionsmodell ein neuer Ansatz, der zu Aha-Erlebnissen führte. Er ermutigte dazu, die eigene Präsenz während der Probe neu einzusetzen, sowie ein im Hinblick auf die Orchestermitglieder veränderbares Selbstverständnis gezielt auszuprobieren. Zur Vorbereitung des folgenden Praxisteils wurden die hierfür vorgesehenen Werke vorgestellt. Moderiert von Martin Lentz, JMD-Präsidiumsmitglied und selbst Dirigent der Jugendorchester der Musikschule Bremen, wurden realistische Selbsteinschätzungen zu Schwierigkeitsgrad und Interesse besprochen. Mit dabei waren in diesem Jahr Werke von Elliot del Borgo, Ethel Smyth, Richard Sherman und dem Schweden Ture Rangström.
Der Praxisteil, der von 2. bis 5. Oktober in Bremen stattfand, startete mit einem Sprung ins kalte Wasser, denn schon am ersten Tag standen die Teilnehmer:innen am Pult und damit vor der ganz konkreten Aufgabe: „Spannend proben“. Das Seminar zog seine besondere Intensität aus diesem zentralen Bestandteil der aktiven, praktischen Probenarbeit mit zwei Orchestern der Musikschule Bremen: die Sinfonietta Bremen Mitte und das Jugendsinfonieorchester Bremen Mitte. Die Orchestermitglieder beteiligten sich nicht nur musikalisch, sondern gaben nach den Proben wertvolles Feedback, Gedanken und Einschätzungen an die Seminarteilnehmer:innen weiter.
Stolz auf das, was sie im Intensivtraining gemeinsam geschafft haben: Orchestermusiker:innen, Orchesterleiter:innen und Dozierende. Foto: JMD
Für die teilnehmenden Orchesterleiter:innen war das Programm dicht gepackt. Denn zusätzlich zu den eigentlichen Proben, in denen alle Teilnehmer:innen nacheinander vor dem Orchester standen, wurden in Vor- und Nachbereitungsrunden Feedback und Tipps ausgetauscht, die nächste Probeneinheit geplant und die Einschätzungen der Orchestermusiker:innen eingeordnet.
Angeleitet von Martin Lentz und Ole Faurschou, ebenfalls langjähriger Leiter von Jugendorchestern und einer eigenen Dirigierschule, entdeckten die Teilnehmer:innen sich selbst als Musikvermittler:innen – eine inhaltlich über die „Anleitung“ hinaus gehende Aufgabe, die auch eine andere innere Haltung erfordert: „Wir müssen den Sprung vom „Ich“ und „ihr“ zum „Wir“ schaffen. Da müssen wir alles dransetzen“, so Faurschou. Dieser Leitgedanke gilt für ihn als Maßstab für alle Kommunikation, die in der Probe passiert – vor allem vom Pult aus.
Die Seminarteilnehmer:innen nahmen sich diesen Gedanken zu Herzen und fanden zu neuer Experimentierfreude beim Proben, was zu wirklich spannenden Momenten voller Musik führte, denen die jungen Musiker:innen gebannt und begeistert folgten. Teilnehmerin Luisa Pohl vom Jugendsinfonieorchester Recklinghausen entwickelte dabei auch eine neue Perspektive auf ihre eigene dirigentische Arbeit: „Das Orchester, die Dozent:innen, die gemeinsamen Proben haben mir geholfen, [meine Begeisterung und Leidenschaft für Musik] wiederzufinden […], vor allem das Gefühl, dass ich ganz persönlich etwas zum Erleben von Musik beitragen kann […].“ Und auch Annabelle Cavalli vom Barockorchester Lahr empfand das Seminar als „bereichernd und sehr ermutigend!“
Teil drei bildet in einigen Wochen den ergänzenden Abschluss. Dann ist noch einmal Raum für Austausch über erste (Miss)Erfolge, persönliches Feedback unter vier Augen und Reflexion. Wie bei allen sehr fein ausgearbeiteten Angeboten der Reihe, geht es um eine Sensibilisierung, können das Methoden- und Praxiswissen der JMD-Fachkollegen:innen und ihre Anregungen für eine Änderung in der Denkbewegung den entscheidenden Dreh und eine große Wirkung bringen. Und im Referat Jugendorchester in Weikersheim fließen die gemachten Erfahrungen ein, die Seminarinhalte mit jeder Runde auf die aktuellen Bedarfe anzupassen und laufend weiter zu entwickeln.
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