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Mehrere Personen sitzen an einem Tisch zusammen und tauschen sich angeregt aus.

Die seltene Gelegenheit zum Austausch unter Fachkollegen:innen wurde intensiv genutzt. Fotos: JMD

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Netzwerktreffen Jugend komponiert

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JMD lud ein zum Jubiläum 40 Jahre Bundeswettbewerb
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Komponieren lernen – eine Nische unserer Musikpädagogik. Und doch bewarben sich aktuell wieder 130 Jugendliche mit insgesamt 180 Einsendungen beim Bundeswettbewerb Jugend komponiert. Geschätzt gibt es in unserem Land (nur) 35 Kompositionsklassen, an Musikschulen, in privater Initiative, wo man das Komponieren sogar „Ernster Musik“ (ein Kriterium des Wettbewerbs) lernen kann. Vier Landeswettbewerbe (in Bayern, Brandenburg, Hessen/Thüringen und Sachsen-Anhalt) bieten zusätzliche Förderchancen für junge Komponisten:innen. Der 40. Jahrgang des von der JMD seit 1986 getragenen Bundeswettbewerbs Jugend komponiert war nun Anlass, die Szene der engagierten Jugend komponiert-Aktivitäten vom 25. bis 27. April zu einem kollegialen Austausch nach Weikersheim einzuladen. 

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Schon zum Empfang bei Kaffee und Geburtstagstorte kamen die 25 Teilnehmenden gleich ins Gespräch. An die Pionierzeit erinnerte der Komponist und Begründer des Bundeswettbewerbs Martin Chris­toph Redel, der anekdotenreich die Gründung des Bundeswettbewerbs 1986 schilderte, wie aus seinen schon seit 10 Jahren zuvor gemeinsam mit Theo Brandmüller abgehaltenen „Kompositionswerkstätten Schloss Weikersheim“ der Bundeswettbewerb hervorging. Auch heute noch stehen diese „Treffen junger Komponierender“ – wie der Wettbewerb auch vorübergehend einmal hieß – im Zentrum. Redel würdigte auch seine Nachfolger in der Künstlerischen Leitung – Philipp Vandré und aktuell Gordon Kampe – und dankte den Projektbetreuenden bei der JMD: Kurt Menzel, Bärbel Büchner, Barbara Kampa, Kathrin Kohlschreiber, Kamala Börngen und aktuell Anja Knab.

Gordon Kampe titelte seine Keynote „Es gibt kein Künstchen“ mit einem Gedanken (von Helmut Schmidinger), der ihm persönlich Schwung und Selbstvertrauen als Komponist und Pädagoge verleihe: Kunst könne man nicht verniedlichen, erst wenn jemand „absichtsvoll die Realitäten der Welt zum Schweben bringe, dann ist das Kunst“. Komponieren sei eine Frage, die ihm bei den Stücken der Jugendlichen in Form von Brüchen anspringt, und kein Stil – viel ehrlicher als eine „Neue Musik-Standardpartitur“. Die Abendstunde der Kompositionswerkstatt gab dann einen Eindruck von der kompositorischen Welt und von den darin suchenden Fragen der Preisträger:innen – etwa wie wichtig oder auch wie witzig ein Titel für eine Komposition sei oder sein sollte.

Der Samstag war dem fachlichen Austausch gewidmet: Nach Impulsreferaten tauschte man sich in verschiedenen Kleingruppensettings darüber aus und diskutierte weiterführende Fragen. Sehr unterschiedliche Praxisberichte gaben Stoff für mehr als diesen Tag. Philipp Vandré, der von 2014 bis 2023 Künstlerischer Leiter des Bundeswettbewerbs war und sich mit der JMD für die Relevanz und Akzeptanz von „Kompositionspädagogik“ als eigene Disziplin eingesetzt hat, stellte den von ihm mitverfassten Lehrplan „Musiktheorie/Komposition“ des Verbands deutscher Musikschulen vor – wird damit Komponieren ein „Fach“ mit eigenem Unterrichtsstatus? In der Rheinischen Musikschule Köln ja: Die Berufung auf frühere Lehrer wie Stockhausen, Kagel oder Berio half dort, wie Thomas Taxus Beck es vorstellte, ein breit gefächertes Angebot aufzubauen, das mit Einzel- und Gruppenunterrichten, Projekten, Workshops und Festivals wie „Zett Emm“ verschiedene Formate und Genres umfasst. Wie es um das Komponieren an den allgemeinbildenden Schulen und deren Stundenplänen und Spielräumen für die ästhetische Erfahrung und Bildung steht, referierte Jürgen Oberschmidt, Präsident des Bundesverbands Musik­unterricht. Ein Kooperationsbeispiel gab Katja Brunsmann mit dem groß angelegten UdK-Projekt „Querklang“, das mit den Schulen als Partner Reichweite und Ressourcen gewinnt. Personelle Voraussetzungen zu schaffen, ist das Ziel von Nélida Béjar, die an der Universität Augsburg in ihrem Ausbildungsschwerpunkt „Komponieren mit Kindern“ künftige Schulmusiker:innen dafür in Praxisprojekten vorbereitet.

Susanne Zeh-Voß zeigte am Beispiel der Komponistenklasse Halle, wie stark die ästhetisch-pädagogischen Ideale und Konzepte eines „Begründers“ wie dort Hans Jürgen Wenzel mit seinem Begriff von „Unpädagogik“ in die Gegenwart (und Zukunft) zu wirken vermögen. Die Besonderheit des Traditionsprojekts Orchesterwerkstatt Halberstadt – geleitet von Martin Redel und Annette Schlünz – ist ohne Zweifel, dass hier ein Profiorchester zur Realisierung von groß besetzten Partituren zur Verfügung steht, und dies gerne und bereitwillig, wie Projektleiter Sebas­tian Berakdar schilderte. Zum Schluss stellte Vasiliki Kourti-Papamoustou das freie Projekt „Neues Zeug“ vor, mit dem die JMD kooperiert – nicht ohne Grund: Hier bekommen junge Komponisten:innen einen Auftrag, für und vor allem im direkten Kontakt mit Instrumentalschüler:innen und unter Einbeziehung von deren Lehrkräften ein Ensemblestück zu komponieren: Autor:in und Interpreten lernen voneinander ihre Prozesse am Werk kennen und respektieren.

Die Tagung schloss mit einem Ausblick, wie ein kollegiales Netzwerk von Jugend komponiert-Angeboten verstetigt und vergrößert werden könne, wie man sich über Probleme und Lösungen austauschen und voneinander lernen, ja auch hier und da kooperieren kann, um „aus der Nische heraus zu einer gemeinsamen Bewegung“ – wie es Tagungsleiter Ulrich Wüster formulierte – zu finden, um kompositionspädagogischen Angeboten zu mehr Selbstverständlichkeit und Relevanz zu verhelfen. Beim Besuch des Abschlusskonzerts der Förderpreisträger:innen konnte man sich von der Inspirationskraft und der Ausdrucksfähigkeit der jungen Komponierenden live überzeugen, deren Stücke von Stipendiaten des Deutschen Musikrats meisterhaft und mit kollegialer Hingabe vorgetragen wurden.

Konzipiert und moderiert wurde das von der JMD ausgerichtete Treffen von deren Generalsekretär Ulrich Wüster gemeinsam mit der Geschäftsführerin des Landesmusikrats Sachsen-Anhalt Ulrike Nemson und dem Projektleiter Neue Musik beim Landesmusik­rat Brandenburg Thorsten Müller. Die organisatorische Leitung lag bei Anja Knab. Das BMBF gewährte eine zusätzliche Förderung.

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Zwei Männer in Anzügen und eine Frau in einer Jeansweste stehen mit angesteckten Namensschildern für ein Foto zusammen.

Das aktuelle Team des Bundeswettbewerbs: JMD-Generalsekretär Dr. Ulrich Wüster, Projektorganisatorin Anja Knab und der Künstlerische Leiter Gordon Kampe

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