Vor acht Jahren übernahm Gerrit Große den Vorsitz des Verbands der Musik- und Kunstschulen Brandenburg (VdMK). Zu der diesjährigen Vorstandswahl trat sie nicht mehr an. Im Rahmen der Eröffnung der Fachtagung „Klasse:Musik für Brandenburg“ am 6. November in Potsdam wurde sie von Kulturministerin Manja Schüle und den Schulleitungen feierlich verabschiedet. Manja Schüle würdigte die Verdienste und zahlreichen kultur- und bildungspolitischen Initiativen Gerrit Großes, die Mitglieder bedankten sich für ihre höchst engagierte Vorstandsarbeit mit einem musikalisch-künstlerischen Abschied. Gerrit Große gehörte von 2001 bis 2019 dem Brandenburgischen Landtag als Abgeordnete an, darunter bekleidete sie fünf Jahre lang das Amt der Vizepräsidentin des Landtags. Sie war bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion DIE LINKE, Vorsitzende im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und Mitglied im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie im Jugendhilfeausschuss. Katja Bobsin vom VdMK führte mit Gerrit Große ein Interview über ihr Wirken, ihre wichtigsten bildungspolitischen Initiativen und ihre Wünsche an den Verband für die Zukunft.
Gerrit Große. Foto: Uwe Hauth
Musikalische Förderung im Gesetz verankern
Katja Bobsin: Was waren die Schwerpunkte Ihrer ehrenamtlichen Arbeit als Vorsitzende für den Verband?
Gerrit Große: In der gesamten Zeit ging es darum, den Verband mit all seinen vielfältigen Aufgaben zu stärken. Wir sind der politische Trägerverband für die 36 Musik- und Kunstschulen mit öffentlichem Bildungsauftrag, mit rund 1.500 Pädagogen, die 50.000 Schülerinnen und Schüler erreichen.
Als Schulmusikerin lagen mir die Kooperationsprojekte besonders am Herzen. „Klasse:Musik“, ein Projekt, das ich von Anfang an politisch mit begleitet, mit erdacht und vor 15 Jahren mit auf den Weg gebracht habe. Es wurde am Ende meiner Abgeordnetentätigkeit nochmals aufgestockt, damit konnten die langen Wartelisten 2019 endlich abgebaut werden. Das Programm erreicht nun in rund 250 Musikklassen rund fünf Prozent aller Kinder im Land. Ein Programm, um das uns viele Bundesländer beneiden.
Dabei geht es aber nicht nur um die Quantität, sondern vor allem um Auswirkungen wie die Förderung der Kinder, wie sie mit ihren Instrumenten in der Grundschulzeit über sich hinauswachsen, sich Gehör verschaffen und zuhören, um den Zusammenhalt in den Klassen. Das ist besonders eindrücklich in den großen Konzerten der Musikklassen zu erleben, in denen teilweise 300 Kinder gemeinsam musizieren.
Hier würde ich mir für die Zukunft wünschen, dass solch ein herausragendes Programm in guter Qualität weitergeführt, behutsam ausgebaut, fest im Gesetz verankert und auskömmlich finanziert wird. Es sollte in allen Regionen Kindern offenstehen.
Bobsin: Sie haben sich beruflich und in ihrem politischen Engagement immer stark persönlich für die musikalisch-ästhetische Bildung von Kindern und Jugendlichen insbesondere für die Frühförderung eingesetzt. Die setzt ja schon im Kita-Alter an. Wie konnten Sie sich da einbringen?
Große: Die Elementare Musikpädagogik mit vielen aufgefächerten Angeboten ist ja das Rückgrat der Musikschulen. Mit dem Pilotprojekt der „Kultur:Kita“ habe ich außerdem ein Herzensprojekt angestoßen. Hier geht es darum, alle Kinder einer Kita von Beginn an in ihrem Alltag musikalisch zu fördern, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.
Bobsin: Der Verband ist in Brandenburg auch Träger von „Jugend musiziert“ und von großen Landesensembles. Gemeinsam mit der studienvorbereitenden Ausbildung und den Ensembles an den Musikschulen prägen diese die Talentförderung in Brandenburg. Wie haben Sie diesen Kernbereich im Bildungsauftrag der Musikschulen erlebt?
Große: Mit den Exzellenzzirkeln ist ja noch ein weiterer Baustein der Talentförderung hinzugekommen. „Jugend musiziert“ ist ein guter Seismograf für die Entwicklungen der Talentförderung. Bundesweit verzeichnet der Wettbewerb leider weniger Anmeldungen. Das ist aus unserer Sicht ein Alarmzeichen, dass sich im Bildungssystem etwas ändern muss. Die Begabungen bei den Kindern aufzuspüren, sie zu fördern eventuell bis zur Berufsvorbereitung – das erfordert Zeit neben Schule und Abi – und sehr hochqualifizierte Lehrpersonen, die Schüler auf diesem Weg begleiten.
Die Junge Philharmonie Brandenburg, die Junge Bläserphilharmonie, das LaJJazzO und die Young Voices – in den acht Jahren haben sich alle Ensembles sehr gut profiliert und treten auch international in Erscheinung. Das Ringen um talentierten Nachwuchs ist dabei eine dauerhafte Herausforderung, der sich die Ensembles und ihre engagierten Leitungen mit den Fachgruppen in den Musikschulen und Partnerorchestern stets hingebungsvoll widmen.
Bobsin: Bundesweit einzigartig ist die Zusammenarbeit von Musik- und Kunstschulen in einem gemeinsamen Verband. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Kunstschulen erlebt?
Große: Das ist für mich besonders erfreulich zu sehen, wie sich die Kunstschulen innerhalb des Verbandes entwickelt haben und wie stark sie doch mittlerweile mit den Musikschulen auch zusammengewachsen sind. In dem gemeinsamen Musik- und Kunstschulfestival „Sound City“ oder auf der zentralen Fachtagung des Verbandes wird das besonders sichtbar.
Bobsin: Welche Ereignisse im Lauf Ihrer Amtszeit waren aus Ihrer Sicht prägend für die Entwicklung des Verbandes? Welche Chancen und welche Potentiale ergeben sich daraus?
Große: Die politische Arbeit für Musik- und Kunstschulen zeigt, dass wir die gesetzliche Sicherung brauchen. Nicht nur was die öffentliche Finanzierung durch Land und Kommunen gemeinsam angeht, sondern auch in puncto Qualitätssicherung. Ein Beispiel ist die Fortbildungsverpflichtung der Lehrkräfte, die strenger gehandhabt wird als an den allgemeinbildenden Schulen. Ich habe in meiner Zeit als Vorsitzende mehrere Fachtagungen des Verbandes erlebt, die jeweils aktuelle musik- und kunstpädagogische Fragen behandeln, die Lehrer sind eingeladen, gemeinsam mit Dozenten aus dem In- und Ausland über Unterricht nachzudenken, sich zu vernetzen, sich pädagogisch, methodisch, didaktisch fortzubilden. Damit hinterfragt man immer wieder auch sein Selbstverständnis und bleibt offen für neuere Entwicklungen.
Diese hohen Anforderungen im Anerkennungsverfahren und als Teil des Verbands der Musikschulen Deutschlands mit kommunaler Beteiligung und Trägerschaft unterscheiden uns letztlich von den kommerziellen Anbietern und sichern den öffentlichen Bildungsauftrag. Sicherlich muss immer wieder mit dem Land austariert werden, wie viel gesetzliche Auflagen notwendig sind, um Qualität wirkungsvoll zu sichern.
In den acht Jahren haben wir sehr gut mit der Landespolitik zusammengearbeitet. Das gemeinsame Ringen um die bestmögliche Weiterentwicklung angesichts angespannter Haushalte war geprägt von Offenheit und einem großen Interesse für die Belange der Musik- und Kunstschulen.
Bobsin: Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Große: Die Fachkräfte sind rar – auch in Musik- und Kunstschulen. Das ist eine der großen Herausforderungen für die Musik- und die Kunstschulen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Wir haben ein duales Studium mit dem Institut für Instrumental- und Gesangspädagogik der BTU Cottbus aufgelegt. Künftig können die Studierenden hier schon begleitend in den Musikschulen arbeiten, werden dafür auch entlohnt. Das erhöht wiederum die Attraktivität, sich für dieses Studium mit einem sicheren Arbeitsplatz zu entscheiden.
Wir hoffen darauf, dass bundesweit der Tarifvertrag für Musikschul-Lehrpersonen angepasst wird. Sie haben wie ihre Kolleginnen und Kollegen an den allgemeinbildenden Schulen eine gleichwertige Hochschulausbildung absolviert und müssten auch gleich bezahlt werden. In der Kampagne haben wir uns dafür eingesetzt.
Wir brauchen bundesweit ein gesellschaftliches Bewusstsein, was die Bildungsarbeit der öffentlichen Musik- und Kunstschulen kann und was sie wert ist. Die kommunale Anbindung ist dabei die Garantie für die weitgehende Zugangsoffenheit.
Meinem Nachfolger Tillmann Stenger, der einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, wünsche ich alles Gute für seine Arbeit. Wir haben den Übergang gut gemeinsam vorbereitet und die Mitglieder freuen sich auf die Zusammenarbeit mit ihm.
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