Wer einen Antrag auf Förderung durch das Programm „Kultur macht stark“ stellt, muss eine nachvollziehbare Beschreibung der Zielgruppe des Projekts formulieren. In einigen Antragstexten kann dies dazu führen, dass Stereotype und Vorurteile (unbewusst) reproduziert werden. Eine Online-Veranstaltung des VdM-Projektbüros hat sich daher mit dem Thema des diskriminierungssensiblen Schreibens auseinandergesetzt.

In dem VdM-Workshop im Rahmen von „Kultur macht stark“ stand die Sprache in Projektbeschreibungen bei „Kultur macht stark“-Projekten und ihre diskriminierungssensible Verwendung im Zentrum. Foto: Marielies Tornier
Projektbeschreibungen diskriminierungssensibel erstellen
Förderprogramme der kulturellen Bildung sind zuweilen auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet und für diese konzipiert. Das ist auch bei „Kultur macht stark“ der Fall: Projekte, die über das Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert werden, sollen sich an Kinder und Jugendliche aus bestimmten Risikolagen richten. Hierbei sind die Risikolagen definiert als finanziell, bildungsbezogen oder als sozial. Sozioökonomische Voraussetzungen können vielen Kindern und Jugendlichen den Zugang zur kulturellen Bildung erschweren. Es geht also darum, dass Kinder und Jugendliche erreicht werden, die aufgrund bestimmter (Lebens-)Umstände eine Benachteiligung erfahren.
Projektanträge müssen sich folglich inhaltlich an die beschriebene Zielgruppe richten und für diese konzipiert sein. Der VdM als „Kultur macht stark“-Programmpartner macht die Erfahrung, dass es häufig zu stereotypen und vorurteilsbehafteten Formulierungen in der Antragsstellung kommt. Das betrifft sowohl die verwendete Sprache als auch die konzipierten Projektinhalte. Durch die Verwendung von Stereotypen und von Vorurteilen wird bestimmten Personengruppen eine Benachteiligungserfahrung unterstellt. Damit gehen diskriminierende Beschreibungen der (vermeintlichen) Zielgruppe einher. Die Problematik bei der Antragstellung besteht darin, zum einen eine genaue Beschreibung der Zielgruppe zu liefern und zum anderen diese dabei nicht zu stigmatisieren.
Um Antragsteller hierfür zu sensibilisieren, hat der VdM am 18. Februar 2025 den Online-Workshop „Diskriminierungssensibles Schreiben“ durchgeführt. Referentin der Veranstaltung war Dorothee Streich – Sängerin, Anti-Bias Trainerin, Musik- und Theaterpädagogin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Folkwang Universität der Künste Essen. Sie gab zunächst einen Input zum Thema Stereotype und Vorurteile. Stereotype geben vermeintliche Merkmale einer Gruppe wieder, die zwar zutreffen können, lassen aber außer Acht, dass Stereotype keine vollständige und vor allem keine allgemeingültige Beschreibung einer Gruppe darstellen. Sie sind oft weitverbreitet und bewirken, dass ein einseitiges Bild einer Gruppe entsteht, da die Stereotype die dominierende Beschreibung der Gruppe sind. Vorurteile gehen noch weiter: Sie schreiben zumeist eine negative Annahme einer bestimmten Personengruppe zu. Stereotype und Vorurteile sind Grundlage von Diskriminierung. Diskriminierung vollzieht sich immer aus einer Machtposition heraus. Sie richtet sich gegen Personen, die bestimmte Merkmale aufweisen, wie zum Beispiel die Herkunft oder das Geschlecht von Menschen. Durch Diskriminierung in der Sprache wird Realität geschaffen, denn Sprache prägt das Denken.
Zur Vermeidung von diskriminierender Sprache gibt es keine allgemeingültige Anleitung, allerdings einige Tipps und Empfehlungen, die angewendet werden können. Hilfreich ist zum Beispiel die Überprüfung, ob negative Eigenschaften mit den im Text verwendeten Begrifflichkeiten verbunden werden (können). Gleichzeitig müssen die Texte auf Stereotype und Vorurteile überprüft werden: Wird davon ausgegangen, dass die angesprochene Zielgruppe etwas kann, oder auch nicht kann – zum Beispiel aufgrund der Herkunft der Eltern? Im Hinblick auf die „Kultur macht stark“-Anträge ließe sich auch fragen, warum davon ausgegangen wird, dass eine Risikolage besteht. Es kann sein, dass sich eine Person in einer Risikolage aufgrund ihrer Herkunft befindet.
Dann sind die Gründe für dieses Risikoumfeld zum Beispiel, dass diese Person noch nicht so gut Deutsch spricht, oder dass sie aufgrund ihrer Herkunft mit strukturellem Rassismus konfrontiert ist und deshalb eine Benachteiligung erfährt. Die Annahme, dass ein Mensch allein aufgrund seiner Herkunft kein Deutsch spricht, ist wiederrum diskriminierend. Zudem kann überprüft werden, ob für die Beschreibung der Zielgruppe Fremdbezeichnungen verwendet werden. Um dies zu vermeiden, lohnt es sich nachzuschlagen, wo bestimmte Begriffe herkommen. Als Hilfsmittel können Online-Glossare genutzt werden, die Begriffe erläutern und die Herkunft erklären. Zusätzlich zur Sprache in der Antragstellung muss auch der Projektinhalt hinterfragt werden: Wurde bei der Planung die Zielgruppe miteinbezogen, oder wird davon ausgegangen (basierend auf Stereotypen und Vorurteilen), dass der Inhalt und die Methodik passend sind? Was hier gemeint ist, ist das sogenannte „Othering“. Einer Personengruppe wird zum Beispiel unterstellt, dass sie eine andere Kultur als die eigene hat. Es wird zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ unterschieden, wobei es bei dem „Fremden“ zu einer kulturalisierenden Zuschreibung kommt, das heißt heterogenen Gruppen wird eine bestimmte und allgemeingültige Kultur unterstellt. Diese Verallgemeinerungen können auch in die Projektinhalte einfließen. So kann zum Beispiel die Musik eines ganzen Kontinents reduziert werden auf „Afrikanische Musik“. Hilfreich zur diskriminierungssensiblen Projektentwicklung ist die Einbeziehung der Zielgruppe beziehungsweise der potenziellen Teilnehmenden, denn die Zielgruppe sollte auch nicht als homogen in ihren Wünschen und Bedürfnissen wahrgenommen werden.
Für die diskriminierungssensible Antragstellung reicht es allerdings nicht, nur die Sprache und die Projektinhalte entsprechend auszurichten. Vielmehr muss eine entsprechende Grundhaltung vorliegen. Diskriminierungssensibilität muss als intersektional und vielschichtig verstanden werden. Der Wille zur Selbstreflexion und die Aneignung von Wissen ist unverzichtbar sowie das Eingestehen, dass Fehler gemacht werden und eine entsprechende Fehlerkultur etabliert wird. Es ist wichtig, dass die Zielgruppe ernst genommen und dass Diskriminierung als Gewaltform verstanden wird.
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