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Foto: Bernd Uhlig
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Besungene Balletthandlung mit kurzweiligen Tanztheater-Einsprengseln – Berlioz‘ „Roméo et Juliette“ an der Deutschen Oper Berlin

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Glück im Unglück: das den drei Opernhäusern gemeinsame Staatsballett streikt derzeit, aber an der Deutschen Oper Ballett konnte gleichwohl eine Ballett-Premiere stattfinden, denn für Regie und Choreographie zeichnete Sasha Waltz verantwortlich, und es tanzte die aus dem Hauptstadtkulturfonds und der Kulturverwaltung des Landes Berlin geförderte Kompanie Sasha Waltz & Guests.

Ungewöhnlich auch, dass ein Generalmusikdirektor an seinem Haus den Ballettabend selbst dirigiert. Aber Donald Runnicles ließ sich dies als Berlioz-Fan nicht nehmen und schwang noch nach der ausverkauften zweiten Vorstellung beim Schlussapplaus in der Chorus-Line zwischen Tänzerinnen und Tänzern vor und zurück, dem begeisterten Publikum entgegen.

Allerdings ist dieser Inszenierung von Berlioz’ „Romeo und Juliette“, bereits 2007 im Auftrag der Opéra National de Paris entstanden, ihr Alter anzumerken, auch wenn sie in Berlin neu und zumeist jung besetzt wurde. Waltz’ Version der Tragödie für drei Gesangssolisten, Chor, Orchester und Ballett, wirkt, außer in einigen grotesken Szenen, leider häufig uninspiriert. Gelungen ist etwa die Agitation der Capulets untereinander und der Heimweg der total übermüdeten und alkoholisierten Abendgesellschaft nach dem Ball, letzteres in bewusstem Gegensatz zur lyrisch ausschwingenden Musik. Erfrischend sind immer wieder Momente des Tanztheaters in dieser Koproduktion mit der Mailänder Scala, redundant hingegen die Ballettformationen. Die aufeinander geklappten Rechtecke des kargen Bühnenraums, für den Pia Maier Schriever, Thomas Schenk und Sasha Waltz gemeinsam verantwortlich zeichnen, klappt – an zwei Seilen hochgezogen – erst am Ende der Balkon-Liebesszene auf, und Romeo küsst der entschwindenden Julia die nackten Zehen. So entsteht ein Unten und Oben, das die unten Stehenden wie der archaische Atlas zu stützen scheinen.

Dann laufen als Schüttkunst á la Hermann Nitsch schwarze Trauerstreifen die noch höher gezogene Fläche als Steilwand herab. Romeo beginnt in einer eingeschobenen, stummen Szene mit Tantalusqualen seinen Anstieg immer wieder von Neuem, bis er sich in der schwarzen Farbe wälzt und die Struktur der geordneten Trauer zerstört. Bernd Skodzig, der neue Bayreuther „Tristan“-Ausstatter, hat die Capulets in Weiß und die Montagues in Schwarz gehüllt, und für die Mezzosopranistin ein ausladend üppiges Kostüm kreiert. Ronnita Miller intoniert kraftvoll aber leider auch scharf, Thomas Blondell in der Tenorpartie gefällt und der Bassist Nicolas Courja als das Double des Frère Laurent liefert gesanglich eine runde Leistung und vermag auch bewegungstänzerisch mit dem die Rolle tanzenden Kollegen Orlando Rodriguez mitzuhalten. Neben Sasha Waltz’ Kompanie agiert auch der von William Spaulding einstudierte Chor, verhalten referierend und mitfühlend. Zu den Gesängen und dem Duktus des bestens disponierten Orchesters hat die Regisseurin Schluchzlaute des Romeo und Steingeräusche ergänzt, wenn die Liebenden im zentralen Grab mit Kieselsteinen beerdigt werden.

Hoch virtuos spielen und tanzen Joel Suárez Gómez und Yael Schnell das Titelpaar, die Mitglieder der 20-köpfigen Kompanie hingegen vermögen mit der Präzision des Staatsballetts nicht zu konkurrieren – aber die streiken ja derzeit. Aus dem Graben hingegen immer wieder betörende Schönheiten in Berlioz’ grenzüberschreitender Symphonie Dramatique, op.17, jener eigenwilligen Shakespeare-Adaption zwischen großer Oper, Sinfonie und Ballett.

Die Mischung des pausenlosen, durch stumme Momente aber über Gebühr gestreckten Abends scheint den rechten Nerv des Opern-, wie des Ballettpublikums zu treffen.

Weitere Aufführungen: 22., 28., 29. April, 2. Mai 2015.

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