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Emil Mangelsdorff. Foto: Wikimedia Commons
Emil Mangelsdorff. Foto: Wikimedia Commons
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Die Puste reicht noch – Jazz-Saxophonist Emil Mangelsdorff wird 85

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Als Emil Mangelsdorff zehn Jahre alt war, hörte er auf Radio Luxemburg zum ersten Mal Louis Armstrong. «Es hat mich umgeworfen, ich hatte einen Puls von 150», erinnert sich Mangelsdorff. Fünf Jahre später, im Kriegsjahr 1940, hatte der Sprössling einer Musikerfamilie bereits seine erste eigene Jazzband. Am Sonntag (11. April) feiert der Frankfurter seinen 85. Geburtstag

Groß feiern will der Jubilar nicht: «Ich habe viel zu tun», sagt er im ddp-Gespräch. Denn der ältere Bruder des 2005 gestorbenen Jazzposaunisten Albert Mangelsdorff denkt gar nicht daran, sein Alt-Saxophon zur Seite zu legen. «Emil spielt mehr und mehr und lieber und lieber», sagt seine Ehefrau Monique. Zwei bis drei Stunden übt er täglich. Jeden ersten Montag im Monat gibt er ein Konzert im Frankfurter Holzhausenschlösschen. Zuletzt hat er für den Dokumentarfilm «Der Soldat Jon Hendricks» die Filmmusik eingespielt.

Und mit seinem langjährigen Weggefährten Fritz Rau hält er derzeit Lesungen über Jazz im Dritten Reich ab. Auch bei der Gala zum 80. Geburtstag des Konzertveranstalters Rau Ende März in der Alten Oper trat Mangelsdorff auf. «Emil hat gespielt wie ein junger Gott, selbst die Carpendale- und Maffay-Fans wollten ihn nicht von der Bühne lassen», schwärmt Rau, der Mangelsdorff als «meinen ältesten Weggefährten als Konzertveranstalter» bezeichnet.

Denn als Rau im Dezember 1956 in der Heidelberger Stadthalle sein
erstes Konzert veranstaltete, stand Mangelsdorff mit seinem
Frankfurter Jazz-Ensemble auf der Bühne. Während des Zweiten
Weltkriegs waren die Rollen der beiden Musikliebhaber noch sehr
unterschiedlich und sind daher auch Gegenstand der Lesungen, mit
denen beide derzeit auf Tour sind. Während Rau in der Hitlerjugend
aktiv war, lehnte sich der 18-jährige Mangelsdorff gegen das
NS-Regime auf. 1943 wurde er von der Gestapo festgenommen und für drei Wochen inhaftiert, weil er «nationale Symbole» verunglimpft
habe. «Wir haben Fotos mit einem ironischen Hitlergruß gemacht»,
erinnert sich Mangelsdorff.

Wenig später musste er an die Front und kehrte erst 1949 aus der
russischen Kriegsgefangenschaft zurück. «Ich habe dadurch als Musiker sieben Jahre verloren und mit 25 Jahren quasi von vorne angefangen», sagt Mangelsdorff. Nachdem er zuvor Akkordeon und Klarinette gespielt hatte, entdeckte er nun seine Liebe für das Saxophon, als er, wieder einmal, von einem Jazzstück im Radio begeistert war. In dieser Zeit zog Mangelsdorff durch die Frankfurter Jazzcafés und begeisterte auch seinen vier Jahre jüngeren Bruder Albert für den Jazz.

Fünf Jahre später, 1954, gab Emil Mangelsdorf ein Konzert, das er
heute als einen der Höhepunkte seiner jahrzehntelangen Karriere
bezeichnet: Im Berliner Sportpalast trat er gemeinsam mit Lil
Armstrong auf, der ehemaligen Frau der Jazzlegende Louis Armstrong. «Daran erinnere ich mich gerne zurück», sagt Mangelsdorff.

Als weitere Höhepunkte bezeichnet er seine ausgedehnten Tourneen
durch Asien und Südamerika oder, dass er 1957 als erster deutscher
Musiker nach dem Zweiten Weltkrieg nach Polen eingeladen wurde, um dort Schallplatten aufzunehmen. «Wir waren als Jazzmusiker wohl am wenigsten verdächtig, etwas mit dem Nationalsozialismus zu tun zu haben», glaubt Mangelsdorff.

Wer den Jubilar heute erlebt, glaubt nicht, dass Mangelsdorff
bereits 85 wird. Seit er vor zwölf Jahren einen Bandscheibenvorfall
hatte, macht er täglich Gymnastik. Auch für das Saxophon hat er noch genügend Puste. «Wenn man täglich übt, baut sich das Lungenvolumen im Alter nicht so schnell ab.» Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) hat Mangelsdorff bereits schriftlich gratuliert und sich dafür bedankt, dass er seit 70 Jahren «eine wichtige Figur» im Frankfurter Jazzleben sei. Und noch immer lässt Mangelsdorff der Jazz nicht los: «Demnächst will ich mal etwas mit Streichern machen.»

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