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Karina Repova. Foto: Quelle: Christina Giakoumelou
Karina Repova. Foto: Quelle: Christina Giakoumelou
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Hommage a Kroll-Oper – Opern von Ibert, Poulenc und Ravel an der UdK Berlin

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Die UDK zeichnet sich dadurch aus, dass sie den durch die drei großen Opernhäuser in Berlin ohnehin weit gefächerten reichen Spielplan durch überaus originelle Produktionen bereichert. Unter dem Titel „Trois Femmes“ hat der ebenso rührige wie einfallsreiche Dirigent Errico Fresis einerseits einen im Jahre 1930 von Alexander Zemlinsky an der Kroll-Oper realisierten Opernabend in der Abfolge adaptiert und zugleich noch eigenwillig angereichert.

Fern der Ignoranz zahlreicher Gesangsdozenten in vergangenen Dezennien, gegenüber szenischen Erfordernissen und Eigenwilligkeiten, lässt sich das junge Ensemble, auf fundierte Gesangsausbildung gestützt, mit immensem Engagement und überbordender Spielfreude ein auf einen Musiktheaterabend, der die ausgehende Moderne am Anfang unseres Jahrhunderts hochleben lässt.

Alleine was Fresis im Programmheft zu dieser Produktion unter dem Titel „Paris ó Berlin“ auf 9 Seiten an spannenden Informationen und ungeahnten Querverweisen zu den drei hier ausgeführten Komponisten zusammengetragen hat, übersteigt an Substanz das, was gemeinhin in Opernprogrammheften zu lesen ist und belegt die dramaturgische Verwurzelung seiner musikalischen Interpretation.

Dabei mag ist die Wahl der drei Opern angesichts der auch Hochschulen nummerisch überwiegenden Gesangsstudentinnen ebenso eigenwillig wie gewagt erscheinen angesichts der sich an diesem Abend profilierenden größere Riege an männlichen jungen Sängern, während es – bis auf zwei kleine Nebenrollen – in Iberts „Angélique“ bei den im Titel besagten drei Frauen bleibt.

Die Ausstattung, welche die Universität der Künste durch Einsatz ihrer diversen Bereiche auf die Bühne hievt, übersteigt das, was man gemeinhin an einem Opernabend in einem Stadttheater erleben kann, insbesondere hinsichtlich der reichen und überaus originellen Kostüme von Alice Fassina und Maja Aurora Svartåker.

An Standuhren ohne Zifferblatt gemahnen die zwölf Spinds, welche in „Angélique“ zwei gegenüberliegende Häuserreihen bilden, deren Dächer sich für die Kommentare des Sprechchors aufklappen lassen. Der Teufel rankt sich allerdings aus einem Hightech-Abfalleimer an die Oberfläche hervor. Ein rundes Loch ohne Zifferblatt bildet auch den hinteren Abschluss der Bühne. Im dritten Akt sind besagte Spinds als Ziffern einer großen Uhr auf die Drehscheibe gehievt, die obendrein noch schräge angehoben wird. (Bühne: Seongji Jang).

„La voix humaine“, der Mittelteil des Abends, ist mit dem ersten Randstück nur ein dekonstruierbares Sitzmöbel verknüpft. Das Endloskabel eines Telefons, welches von der Darstellerin nur selten bespielt wird, schlängelt sich in mehreren Bahnen über die gesamte Bühnenbreite und wird durch ein rundes Loch (an der Position des historisch verorteten Souffleurkastens) bis Ende der Handlung langsam weggezogen.

Regisseur Frank Hilbrich hat mit den jungen Solist_innen und dem Sprechchor intensiv gearbeitet. Insbesondere in „L’heure espagnole“ wartet das Ensemble mit exzessiven Bewegungsabläufen einer typisierten Körpersprache auf.

Unter den für die vier Aufführungen generell doppelt besetzten Solist_innen gefallen besonders die Herren Jonas Böhm als der von seiner Ehefrau gepeinigte Bonifatius im Gegensatz zum grobschlächtig-liebenswerten Muskelprotz Ramiro in „L’heure espagnole“, weiter der Counter Iurii Iushkevich als Teufel und Daniel Nicholson als Charlot. Karina Repova überzeugt als die sich notgeil selbstverliebt tänzerisch in Liebesersatzbewegungen ergehende Ce onception, der Frau des Uhrmachers. Einsam die anderen Leistungen überragt Antje Bornemeier in Ravels Monodrama nach Jean Cocteau, der „Voix humaine“: ihre menschliche Stimme verkörpert sie kopfüber singend ebenso überzeugend und tragend wie in den breiten Schleiervorhang eingewickelt oder unter dem Hemd jenes Mannes versteckt, die er sie im Stich gelassen hat und mit dem sie nun ein fiktives Telefonat führt. Das entwickelt sie mit psychischen Facetten und ohne irgendwelche Probleme hinsichtlich des ihr abverlangten Exhibitionismus.

Im Gegensatz zu dem bei diesem Monodram oft auf wenige Instrumente reduzierten Klangbild klingt das Orchester der UdK in der vollen Orchestrierung überaus sinnlich, dabei stets transparent und luzide. Besonders wirkungsvoll, wenn Zeit-Musik der Zwanzigerjahre aus der Nachbar-Wohnung herüberschallend, in den Orchestersatz verwoben wird.

Die Akzentuierungen bei Ibert sitzen eben so trefflich wie dann in der Partitur von Maurice Ravel pfeift und rattert, knistert und schwirrt, mit Schlägen von Uhren, Herz, Kopf und Geschlechtsorganen.

Das ist ein musikalisch uneingeschränkter Genuss, den Errico Fresis hier mit dem trefflich disponierten Klangkörper zu entfachen vermag! Trotz des mit 3 1/2 Stunden über langen Abends, herrschte bei der Premiere im Auditorium berechtigte Begeisterung und großer Jubel. Glücklich, wer für eine der Folgeaufführungen der spannenden, rundum gelungenen Produktion des Studiengangs Gesang/Musiktheater in Kooperation mit dem Symphonieorchester der UdK Berlin und den Studiengängen Kostümbild und Bühnenbild noch eine Karte ergattern kann!

  • Weitere Aufführungen: 6., 7. und 8. Juli 2018.

 

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